Life is short. Take the Trip. Buy the Shoes. Eat the Cake.

25/03/2021
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Das Lebensmotto meiner „Bekannten in der Fremde“ ist normalerweise der perfekte Abschluss meiner Artikel. Kurz und knackig spiegelt es die Einstellung der jeweiligen Person wider und rundet die Geschichte ab. Heute nutze ich es als Einstieg. Denn Esthers Lebensphilosophie „Life is short. Take the trip. Buy the shoes. Eat the cake.“ sagt bereits einiges über sie aus, bevor ich ihre spannende Reise erzähle.

Take the Trip

Es war ein großer Schritt für Esther als sie ihrem Mann David Anfang letzten Jahres, gemeinsam mit ihrer damals 2-jährigen Tochter, nach Irland folgte. David hatte dort im Oktober 2019 eine berufliche Herausforderung angenommen und war von seiner Firma in Deutschland zum irischen Standort gewechselt.

Als für Esther Ende Januar 2020 das Irland-Abenteuer begann, hatte sich David auf der Insel bereits gut eingelebt. Durch seine Arbeit hatte er erste soziale Kontakte geknüpft und fühlte sich wohl. Für Esther begann dieser Neustart erst einige Monate später – bei Null.

In ihrer alten Heimat Brüggen in Nordrhein-Westfalen hatte die junge Familie für den Umzug in ein fremdes Land einiges zurückgelassen. In erster Linie natürlich die Familie und Freunde. Zum anderen  ihr gerade fertig gestelltes Haus und die vertraute Umgebung. Keine leichte Entscheidung. Dabei wussten sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, wie schwer die kommenden Monate noch werden würden.

Nichts dem Zufall überlassen

Esther war sich sehr wohl bewusst, dass ein Neustart im Ausland kein Kinderspiel war. Auch wenn sie nicht planten für immer in Irland zu bleiben, blieb der große Organisationsaufwand nicht aus.

Als Esther mich das erste Mal im Dezember 2019 über meinen Blog kontaktiere, hatte ich den Eindruck, dass sie nichts dem Zufall überließ. Ihre Fragen und ihr Interesse an der örtlichen Gemeinde zeigten mir, dass gezielte Vorbereitung ein wichtiger Teil ihrer Auswandererpläne waren. Zu Recht!

Ich erinnerte mich noch zu gut daran, was mir alles durch den Kopf ging, als ich vor fast 8 Jahren beschloss nach Irland zu gehen. Obwohl ich versuchte Esthers Fragen so detailliert wie möglich zu beantworten, wusste ich, dass ich ihr das mulmige Gefühl nicht ganz nehmen konnte. Das Vertraute gegen etwas Neues, völlig Unbekanntes, einzutauschen war definitiv eine emotionale Angelegenheit.

Wunschziel Greystones

Mit Greystones hatten sich Esther und David bewusst für eine familienfreundliche Umgebung entschieden. Die Lage am Meer und am Rande des Wicklow Mountain Nationalparks waren ideal für Ausflüge in die Umgebung und ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm für alle drei. Auch die Anbindung zu Davids Büro im Süden von Dublin war gut und somit war Greystones der perfekte Ausgangspunkt für ihr Irland-Abenteuer.

Ein schickes Haus war schnell gefunden. Und während David die „Basics“ vor Ort organisierte, war Esther fleißig dabei von Deutschland aus die ersten sozialen Kontakte über das Internet zu knüpfen.

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Der erste Eindruck

„Nach unserer Ankunft in Greystones sind wir bei all unseren Nachbarn gewesen und haben uns mit selbstgebackenen Keksen vorgestellt”, erzählt mir Esther. „Wir trafen uns außerdem mit den deutschen Mamas, mit denen ich bereits aus Deutschland geschrieben hatte. Ab Februar sind meine Tochter und ich in Greystones zum Turnen, zur Musikschule und zu Spieltreffen in der Kirche gegangen.“

Als ich Esther zum ersten Mal persönlich in einer der Spielegruppen traf, bestätigte sich mein Eindruck, den ich von ihr während unserer Online Chats gewonnen hatte. Sie war aufgeschlossen, freundlich und interessiert. Zweifelsohne gute Voraussetzungen in der Fremde Fuß zu fassen.

Aber sie machte auch kein Geheimnis daraus, dass es ihr schwer gefallen war ihr altes Leben in Deutschland zurückzulassen. Insbesondere weil Irland für sie keine Herzensangelegenheit war – so wie bei mir damals. Sie hatten als Familie entschieden den Schritt zu wagen und David in seiner Karriere zu unterstützen. Unter normalen Umständen wäre der für 2-3 Jahre angedachte Aufenthalt aber auch für Esther und ihre Tochter eine bereichernde Erfahrung.

Ein jähes Ende

„Die Indoor Aktivitäten in der Anfangsphase waren großartig, denn das Wetter im Februar und März war stürmisch, nass und kalt“, berichtet Esther. „Unsere Nachbarn waren sehr herzlich und hilfsbereit. Wir wurden auch viel am Strand oder unterwegs angesprochen und empfanden die irische Mentalität als sehr weltoffen. Die Menschen, die uns bis dahin begegneten, waren alle sehr kommunikativ und interessiert“, erinnert sich Esther. “So hätte es weiter gehen können.“

„Ab März hatten wir dann einen Vorschulplatz für unsere Tochter. Wir hatten bereits die 3 Tage Eingewöhnungsphase absolviert und dann kam der große Schock – Irland geht in den vollen Lockdown.“ Gerade als Esther und ihre Tochter dabei waren sich einzuleben, kamen alle sozialen Interaktionen zum Erliegen. Ein Albtraum für beide.

„Eine der größten Herausforderungen meines Lebens“

„Diese Zeit war eine der größten Herausforderungen meines Lebens“, gesteht Esther. „Wir hatten keine Ahnung wie lange der Lockdown bestehen bleiben würde und entschieden zunächst nicht nach Deutschland zu fliegen. Wir wollten uns nicht der Gefahr aussetzen uns im Flugzeug mit Corona zu infizieren und in der Heimat unsere Familien anzustecken. Insgesamt schlugen wir uns 12 Wochen lang im Lockdown durch. In dieser Zeit hatten wir einen Todesfall in der Verwandtschaft und mein Vater erlitt einen Schlaganfall. Und wir saßen in Irland fest“, sagt Esther traurig.

„Mein Mann musste sehr viel arbeiten. Meine Tochter und ich waren größtenteils auf uns ganz alleine gestellt. Niemand konnte uns besuchen. Ich versuchte ihr jeden Tag ein abwechslungsreiches Programm zu bieten und wir waren viel am Strand und haben uns neue Dinge überlegt. Das Gefühl des Nicht-Wegkommens, der Einsamkeit, der Verantwortung für unser Kind und die Ungewissheit wie die Dinge weitergehen werden, haben mich an meine Grenzen gebracht“, beschreibt Esther diese Zeit.

Es geht aufwärts

Esther hatte alles richtig gemacht. Dennoch fand sie sich trotz ihrer akribischen Planung und Vorbereitung auf den Umzug nach Irland in einer Situation wieder, die sie fast verzweifeln ließ. Aber wie schon die „Bekannten in der Fremde“ aus meinen vorherigen Artikeln, warf Esther nicht so schnell das Handtuch.

Als wir uns einige Wochen nach dem Interview noch einmal austauschten, sah Esthers Welt schon viel positiver aus. „Der Wendepunkt kam für mich im September 2020 als unsere Tochter in einem tollen, neuen Kindergarten in Greystones starten konnte. Ihre beiden Erzieherinnen haben ihr den Einstieg sehr erleichtert. Sie haben sogar deutsche Wörter gelernt und auf unsere Anfrage hin gab es eine Sankt-Martins-Aktion mit Martins-Geschichte lesen und Laternen basteln. Das empfand ich als sehr besonders“, sagt Esther freudig.

„Durch den Kindergarten und die Freundinnen meiner Tochter dort konnten wir Anschluss finden und uns zumindest draußen treffen. Mit Minaste Yoga habe ich eine großartige Yoga-Lehrerin gefunden und konnte zunächst tolle Yoga-Stunden am Strand erleben. Jetzt sehen wir uns einmal wöchentlich online.“

„Durch die wundervollen deutschen Mamis habe ich eine Gruppe, die ich alles fragen kann und mit denen jedes Treffen, so weit möglich, besonders ist. Mit ihnen spüre ich immer auch ein Stück Heimat in Irland. Wir konnten aber auch im letzten Sommer einige internationale Mütter aus Schweden, Texas und Thailand kennenlernen, die uns sofort herzlich zu ihren wöchentlichen Treffen eingeladen haben. Auch diese gaben uns sofort zu verstehen, dass sie uns jederzeit unterstützen würden. Ein besonderes Geschenk. Daher fühle ich mich mittlerweile integriert, was vor wenigen Monaten überhaupt noch nicht der Fall war“, merkt Esther abschließend an.

Eat the Cake

Wie Esthers Lebensmotto “Life is short. Take the trip. Buy the shoes. Eat the cake.“ bereits vermuten lässt, ist sie ein Genussmensch und lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Das haben die vergangenen Monate in Irland gezeigt.

Inzwischen findet Esther auch wieder Zeit und Muße ihren Hobbies nachzugehen. „Ich liebe es zu backen und zu kochen und neue Rezepte auszuprobieren; die fertigen Köstlichkeiten zu fotografieren und gemeinsam mit meiner Familie zu testen. In meiner Freizeit schreibe ich daher gern an meinem Food Blog eat.dasbestefuergaeste.de“, erzählt Esther mit einem Leuchten in den Augen. „Beruflich arbeite ich als Redakteurin bei GoFeminin, Deutschlands führendem Frauenportal. In meinem Job und beim Bloggen kann ich meine Leidenschaft für das Schreiben ideal ausleben.“

Zudem ist Esther dabei örtlich flexibel, was ihr zunächst beim Auswandern nach Irland zugute kam. Doch auch während der Corona-Krise, bei der ein Großteil der Bevölkerung Irlands aus dem Home Office arbeitet – einschließlich Esthers Mann David – ist es von Vorteil. Es sieht also ganz danach aus als wäre bei Esther nach den großen Startschwierigkeiten eine positive Routine im Alltag auf der Grünen Insel eingekehrt.

Rheinische Frohnatur

Natürlich packt Esther hin und wieder die Wehmut, denn das Reisen in die Heimat ist nach wie vor nicht möglich. Auch ihrer anderen großen Leidenschaft – dem Karneval – konnte Esther dieses Jahr nicht frönen. Der ist hier in Irland gänzlich unbekannt.

In Esthers Heimatregion Viersen, nahe Düsseldorf, ist es normalerweise die ausgelassenste Zeit des Jahres. „Es wird viel gefeiert, gelacht, das Leben genossen. Die Leute am Niederrhein sind offen, reden viel und feiern gerne“, erzählt mir Esther. Damit passt Esther hervorragend zur irischen Mentalität, die sie von Anfang an zu schätzen wusste.

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Von nichts kommt nichts

„Nichtsdestotrotz muss man Eigeninitiative entwickeln und es ist unerlässlich offen auf die Leute in seiner neuen Heimat zuzugehen“, weiß Esther. „Sonst bleibt man alleine. Es wird einem nichts in den Schoß gelegt. Man sollte sich bewusst sein, wie groß der Schritt ist, auszuwandern. Sein Heimatland zu verlassen und seine Muttersprache nicht mehr um sich zu haben, ist ein großer Einschnitt, der aus meiner Sicht von vielen Menschen unterschätzt wird“, gibt Esther anderen Auswanderern mit auf den Weg.

Der Frühling steht nun zum zweiten Mal vor der Tür seit Esther mit ihrer Familie in Irland lebt. Die Corona-Restriktionen haben die Insel nach wie vor fest im Griff. Hoffen wir dennoch, dass der Sommer Esther in diesem Jahr mehr Freude bringt und sie ihr Irland-Abenteuer endlich unbeschwert(er) genießen kann. Sie hat es sich verdient!

4 Comments

  1. Thomas

    Ist es nicht seltsam, dass die Firma (Name vom Autor entfernt) kein Home Office oder Mobil Office in Zeiten von Covid anbietet? Wie kann es sein,, dass ein Mann seine kleine Familie täglich unter dem „Deckmantel“ der Arbeit alleine lässt. Ist das hier die alte Story vom Karriere getriebenen Ego Mann, der seine Frau nur als Frau hinter dem Herd sieht? Es bleibt spannend, wie sich der Trip weiter entwickelt….Esther, du hast meinen größten Respekt! Frohe Ostern.

    • Sylvia

      Hallo Thomas, wie auch im Artikel erwähnt arbeitet Esthers Mann aus dem Home Office. Aber dennoch kann er ja in dem Fall mit der Familie wochentags keine Unternehmungen machen oder die Gegend erkunden, denn er arbeitet ja trotzdem Vollzeit. Wenn man sich gerade in einem neuen Land einlebt und die Kinderbetreuung noch nicht gesichert ist, ist es um so wichtiger die finanziellen Voraussetzungen zu gewährleisten. Das heißt ganz und gar nicht, dass er damit die Familie im Stich oder alleine lässt. Im Gegenteil! Und von Esther hinterm Herd war eigentlich im Artikel gar nicht die Rede 🤔. Aber ich weiß von ihrem Food Blog, dass sie tatsächlich gern “am Herd” steht 😉.

  2. Thomas

    Sylvia, touché… im „Eat the cake“ Abschnitt weiter unten hätte ich es nicht vermutet…ich war eher über den Satz „Mein Mann musste sehr viel arbeiten. Meine Tochter und ich waren größtenteils auf uns ganz alleine gestellt .“ gestolpert und hatte angenommen,, dass „ganz alleine“ auch „ganz alleine“ bedeutet. Wie kann man sich einsam fühlen, wenn der Mann im Haus arbeitet? Durch das Handy ist man sogar in der Lage „teams meetings“ am Strand zu halten, während die Frau im Wasser ist. Denn es heisst hier vom Arbeitgeber explizit „mobile office“ und „nicht home office“. Der Unterschied ist nicht ganz trivial. Als Expat bekommt man übrigends Wohnung (Haus) inkl. Einrichtung und sogar private Kindergärten bzw.. die Goethe Schule von der Firma bezahlt. Finanziell ist alles abgesichert durch diesen besonderen Status. Ich bin selber mehr wie 1 Jahr im Home Office und finde immer Zeit zwischen den Meetings für meine fast drei jährige Tochter, damit meine Freundin nicht „ganz alleine“ist, während noch home schooling mit dem größeren Kind läuft.
    Ein Auslandsaufenthalt ist immer eine Herausforderung, besonders wenn er finanziell nicht abgesichert ist. Yoga und Kuchen suggerieren hier den Eindruck, dass es zumindest keine Herausforderungen dieser Art gibt, da die Firma alles regelt.

    • Sylvia

      Das kann ich im Detail nicht beantworten bzw ist das absolut die Privatangelegenheit von Esthers Familie. Mein Mann arbeitet schon immer im Home Office, aber dennoch benötigt man ja auch ein soziales Netzwerk abseits der eigenen Familie. Und das kann man sich hier in Irland unter derzeitigen Bedingungen nicht aufbauen. Wir sind seit Monaten im vollen Lockdown mit Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperre. Da fühlt man sich nicht nur einsam, wenn man gerade erst hierher gezogen ist…

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