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Nicht einsam genug – Raus aus der Zivilisation!

Der (irische) Corona-Regel-Wahnsinn

Wenn wir an dem überfüllten Spielplatz in unserem Ort vorbeilaufen, wo hunderte Kinder auf engstem Raum zusammen spielen, wir aber nicht auf den einsamen Waldwegen im Umkreis spazieren gehen dürfen, weil diese außerhalb unseres Bewegungsradius liegen. Dann möchte ich mich auf eine einsame Bergspitze verkrümeln, um mich nicht länger über die teilweise unsinnigen Corona Maßnahmen aufregen zu müssen.

Wenn unser Großer fragt, warum er sich am Nachmittag keinen Freund zum Spielen in den Garten einladen darf, obwohl er morgens im Kindergarten mit 20 Kindern und vielleicht sogar mit selbigem Freund gespielt hat. Dann möchte ich mir keine plausible Erklärung einfallen lassen müssen, sondern einfach meine Sachen packen und mich mit meiner Familie gleich freiwillig isolieren – auf einem abgelegenen Berggipfel. Welchen Unterschied macht das denn noch?

Wer braucht schon Kindersachen?

Wenn ich durch die Hauptstraße in unserem Ort bummele und all die geschlossenen Ladenfronten sehe – mit Postern davor, auf denen ich  “Unterstützt die lokalen Händler” lese. Wenn ich trotz dieser Aufforderung, der ich gern nachkommen würde, alles online bestellen muss, weil im Lockdown Level 5 nicht einmal ‘Click & Collect’ möglich ist. Wenn ich im Supermarkt zur abgesperrten Klamottenabteilung hinüberschiele um herauszufinden, ob Unterwäsche und Socken jetzt unter die ‘lebensnotwendigen’ Güter fallen oder nicht. Wenn ich dann feststelle, dass ich Socken zwar kaufen kann, die saisonale Kinderjacke jedoch hinter der Absperrung baumelt und ich sie somit nur aus der Ferne betrachten, aber nicht kaufen kann.

Reisefreiheit? Leider nicht ohne Reisepass!

Wenn mir meine Eltern erzählen, dass man von Deutschland aus zwar in den Urlaub nach Mallorca fliegen darf, der Besuch bei der Familie im Nachbarort jedoch gegen die Corona Bestimmungen verstößt. Wenn die Passstelle in Irland in der höchsten Lockdownstufe mal eben gar keine neuen Reisepässe mehr ausstellt, sondern der Kinderreisepass bis nach dem Lockdown warten muss. Wenn ich darüber nachdenke, was wir mit unserer anderthalbjährigen Tochter ohne Pass machen, falls wir doch aus triftigen Gründen zu meiner Familie nach Deutschland reisen müssen. Wenn ich die Variante, sie derweil bei der irischen Familie unterzubringen auch verwerfen muss, weil die nicht im selben County wohnt und unsere Kleine seit Monate nicht gesehen hat.

Dann kommt mir wieder der einsame Berggipfel in den Sinn, für den man – zumindest in meiner Fantasie – weder einen Reisepass braucht, noch seinen Bewegungsradius verlassen muss.

Greystones – Das Zuhause der ‘Cash-Kuh’

Wenn in unserem Ort Greystones und das angrenzende Delgany wieder ein Stück der herrlich grünen Landschaft zubetoniert wird, um mehr Häuser zu errichten. Wenn ich sehe wie schöne alte Gebäude plattgemacht werden und modernen, mehrstöckigen Apartmentkomplexen weichen. Wenn wieder irgendwo ein “New Development-Schild” auf einer Weide auftaucht, wo eben noch Schafe gemütlich grasen, in ein paar Monaten dann aber Bagger ihren Platz einnehmen. Wenn mir bewusst wird wie viel seines ursprünglichen Charmes das einst gemütliche Fischerdorf Greystones bereits eingebüßt hat und trotzdem kein Ende der Verschandelung abzusehen ist. Dann sehne ich mich nach dem Berggipfel hoch oben im Grünen.

Wenn ich mir vorstelle wie es wohl gewesen sein muss durch das wunderschöne Glen of the Downs zu spazieren, ohne das monotone Geräusch der Autobahn zu hören, die nun direkt durch das Tal verläuft. Wenn die engen, von Steinmauern gesäumten Country Roads allmählich verschwinden und breite Straßen entstehen, um dem täglich zunehmenden Verkehr standhalten zu können. Wenn ich daran denke, wie wir jeden Sonntag in der malerischen Kirche von Delgany bei der Andacht waren, mit den freundlichen Nonnen aus dem angegliederten Kloster. Wenn ich mir vorstelle, wie hart deren Umsiedlung aus dem Convent für sie gewesen sein muss. Wenn ich mir vor meinem geistigen Auge vorstelle wie das altehrwürdige Gebäude nun ebenfalls Teil eines modernen Wohnkomplexes wird. Dann möchte ich weg aus Greystones mit seiner allgegenwärtigen Cash-Kuh, die hier unerbittlich gemolken wird.

Eine zivilisierte Welt sieht anders aus

Wenn ich in den Nachrichten höre, dass der Begriff ‘Mutter’ aus britischen Geburtskliniken verbannt wurde und man nun der politischen Korrektheit halber ‘Gebärende Person’ sagt. Oder man in einer irischen Krebsvorsorge-Kampagne gar die umständliche Phrase ‘Person mit einem Gebärmutterhals’ anstelle von ‘Frau’ verwendet. Wenn Eltern in Kanada per Gesetz gezwungen werden können Hormonbehandlungen und Pubertätsblockern für ihre minderjährigen Kinder zuzustimmen, wenn diese eine Geschlechtsumwandlung anstreben, da der Staat ihnen die Kinder sonst entziehen kann. Wenn ich hoffe mich verhört zu haben, aber es tatsächlich nicht binäre Geschlechtsidentitäten gibt, die sich als Wurm oder gar Elf identifizieren und nun ein Recht darauf haben, auch so angesprochen zu werden. Wenn in einem Restaurant die dritte Toilette, neben dem männlichen und weiblichen Symbol, einen Alien abbildet und das weniger beleidigend sein soll als gar nicht erst eine dritte Option zu haben.

Dann denke ich nur – nichts wie ab auf den Berg in die Einöde, denn das ist nicht die zivilisierte Welt, in der ich leben möchte.

Der Berg ruft!

Vielleicht hat das Corona-Jahr mich verändert und ich bin durch die soziale Isolation weniger weltoffen und tolerant geworden. Vielleicht habe ich mich zu sehr auf meine eigene Familie fokussiert, dass es mir schwerfällt andere Meinungen zu akzeptieren, die zu stark von meiner eigenen abweichen. Vielleicht werde ich einfach alt oder war schon immer irgendwie konservativ. Vielleicht suche ich auch nur nach Gründen mich einzuigeln, um mich nicht mit meiner Sozialphobie auseinandersetzen zu müssen. Wie auch immer. Ich bin mir sicher, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem meine Familie und ich die Flucht auf einen einsamen Berggipfel ergreifen. Bis es soweit ist, sind wir in unserem geliebten idyllischen Garten zu finden :-).




Life is short. Take the Trip. Buy the Shoes. Eat the Cake.

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Das Lebensmotto meiner „Bekannten in der Fremde“ ist normalerweise der perfekte Abschluss meiner Artikel. Kurz und knackig spiegelt es die Einstellung der jeweiligen Person wider und rundet die Geschichte ab. Heute nutze ich es als Einstieg. Denn Esthers Lebensphilosophie „Life is short. Take the trip. Buy the shoes. Eat the cake.“ sagt bereits einiges über sie aus, bevor ich ihre spannende Reise erzähle.

Take the Trip

Es war ein großer Schritt für Esther als sie ihrem Mann David Anfang letzten Jahres, gemeinsam mit ihrer damals 2-jährigen Tochter, nach Irland folgte. David hatte dort im Oktober 2019 eine berufliche Herausforderung angenommen und war von seiner Firma in Deutschland zum irischen Standort gewechselt.

Als für Esther Ende Januar 2020 das Irland-Abenteuer begann, hatte sich David auf der Insel bereits gut eingelebt. Durch seine Arbeit hatte er erste soziale Kontakte geknüpft und fühlte sich wohl. Für Esther begann dieser Neustart erst einige Monate später – bei Null.

In ihrer alten Heimat Brüggen in Nordrhein-Westfalen hatte die junge Familie für den Umzug in ein fremdes Land einiges zurückgelassen. In erster Linie natürlich die Familie und Freunde. Zum anderen  ihr gerade fertig gestelltes Haus und die vertraute Umgebung. Keine leichte Entscheidung. Dabei wussten sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, wie schwer die kommenden Monate noch werden würden.

Nichts dem Zufall überlassen

Esther war sich sehr wohl bewusst, dass ein Neustart im Ausland kein Kinderspiel war. Auch wenn sie nicht planten für immer in Irland zu bleiben, blieb der große Organisationsaufwand nicht aus.

Als Esther mich das erste Mal im Dezember 2019 über meinen Blog kontaktiere, hatte ich den Eindruck, dass sie nichts dem Zufall überließ. Ihre Fragen und ihr Interesse an der örtlichen Gemeinde zeigten mir, dass gezielte Vorbereitung ein wichtiger Teil ihrer Auswandererpläne waren. Zu Recht!

Ich erinnerte mich noch zu gut daran, was mir alles durch den Kopf ging, als ich vor fast 8 Jahren beschloss nach Irland zu gehen. Obwohl ich versuchte Esthers Fragen so detailliert wie möglich zu beantworten, wusste ich, dass ich ihr das mulmige Gefühl nicht ganz nehmen konnte. Das Vertraute gegen etwas Neues, völlig Unbekanntes, einzutauschen war definitiv eine emotionale Angelegenheit.

Wunschziel Greystones

Mit Greystones hatten sich Esther und David bewusst für eine familienfreundliche Umgebung entschieden. Die Lage am Meer und am Rande des Wicklow Mountain Nationalparks waren ideal für Ausflüge in die Umgebung und ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm für alle drei. Auch die Anbindung zu Davids Büro im Süden von Dublin war gut und somit war Greystones der perfekte Ausgangspunkt für ihr Irland-Abenteuer.

Ein schickes Haus war schnell gefunden. Und während David die „Basics“ vor Ort organisierte, war Esther fleißig dabei von Deutschland aus die ersten sozialen Kontakte über das Internet zu knüpfen.

Esther Take the Trip.Esther Take the Trip.Esther Take the Trip.Esther Take the Trip.

Der erste Eindruck

„Nach unserer Ankunft in Greystones sind wir bei all unseren Nachbarn gewesen und haben uns mit selbstgebackenen Keksen vorgestellt”, erzählt mir Esther. „Wir trafen uns außerdem mit den deutschen Mamas, mit denen ich bereits aus Deutschland geschrieben hatte. Ab Februar sind meine Tochter und ich in Greystones zum Turnen, zur Musikschule und zu Spieltreffen in der Kirche gegangen.“

Als ich Esther zum ersten Mal persönlich in einer der Spielegruppen traf, bestätigte sich mein Eindruck, den ich von ihr während unserer Online Chats gewonnen hatte. Sie war aufgeschlossen, freundlich und interessiert. Zweifelsohne gute Voraussetzungen in der Fremde Fuß zu fassen.

Aber sie machte auch kein Geheimnis daraus, dass es ihr schwer gefallen war ihr altes Leben in Deutschland zurückzulassen. Insbesondere weil Irland für sie keine Herzensangelegenheit war – so wie bei mir damals. Sie hatten als Familie entschieden den Schritt zu wagen und David in seiner Karriere zu unterstützen. Unter normalen Umständen wäre der für 2-3 Jahre angedachte Aufenthalt aber auch für Esther und ihre Tochter eine bereichernde Erfahrung.

Ein jähes Ende

„Die Indoor Aktivitäten in der Anfangsphase waren großartig, denn das Wetter im Februar und März war stürmisch, nass und kalt“, berichtet Esther. „Unsere Nachbarn waren sehr herzlich und hilfsbereit. Wir wurden auch viel am Strand oder unterwegs angesprochen und empfanden die irische Mentalität als sehr weltoffen. Die Menschen, die uns bis dahin begegneten, waren alle sehr kommunikativ und interessiert“, erinnert sich Esther. “So hätte es weiter gehen können.“

„Ab März hatten wir dann einen Vorschulplatz für unsere Tochter. Wir hatten bereits die 3 Tage Eingewöhnungsphase absolviert und dann kam der große Schock – Irland geht in den vollen Lockdown.“ Gerade als Esther und ihre Tochter dabei waren sich einzuleben, kamen alle sozialen Interaktionen zum Erliegen. Ein Albtraum für beide.

„Eine der größten Herausforderungen meines Lebens“

„Diese Zeit war eine der größten Herausforderungen meines Lebens“, gesteht Esther. „Wir hatten keine Ahnung wie lange der Lockdown bestehen bleiben würde und entschieden zunächst nicht nach Deutschland zu fliegen. Wir wollten uns nicht der Gefahr aussetzen uns im Flugzeug mit Corona zu infizieren und in der Heimat unsere Familien anzustecken. Insgesamt schlugen wir uns 12 Wochen lang im Lockdown durch. In dieser Zeit hatten wir einen Todesfall in der Verwandtschaft und mein Vater erlitt einen Schlaganfall. Und wir saßen in Irland fest“, sagt Esther traurig.

„Mein Mann musste sehr viel arbeiten. Meine Tochter und ich waren größtenteils auf uns ganz alleine gestellt. Niemand konnte uns besuchen. Ich versuchte ihr jeden Tag ein abwechslungsreiches Programm zu bieten und wir waren viel am Strand und haben uns neue Dinge überlegt. Das Gefühl des Nicht-Wegkommens, der Einsamkeit, der Verantwortung für unser Kind und die Ungewissheit wie die Dinge weitergehen werden, haben mich an meine Grenzen gebracht“, beschreibt Esther diese Zeit.

Es geht aufwärts

Esther hatte alles richtig gemacht. Dennoch fand sie sich trotz ihrer akribischen Planung und Vorbereitung auf den Umzug nach Irland in einer Situation wieder, die sie fast verzweifeln ließ. Aber wie schon die „Bekannten in der Fremde“ aus meinen vorherigen Artikeln, warf Esther nicht so schnell das Handtuch.

Als wir uns einige Wochen nach dem Interview noch einmal austauschten, sah Esthers Welt schon viel positiver aus. „Der Wendepunkt kam für mich im September 2020 als unsere Tochter in einem tollen, neuen Kindergarten in Greystones starten konnte. Ihre beiden Erzieherinnen haben ihr den Einstieg sehr erleichtert. Sie haben sogar deutsche Wörter gelernt und auf unsere Anfrage hin gab es eine Sankt-Martins-Aktion mit Martins-Geschichte lesen und Laternen basteln. Das empfand ich als sehr besonders“, sagt Esther freudig.

„Durch den Kindergarten und die Freundinnen meiner Tochter dort konnten wir Anschluss finden und uns zumindest draußen treffen. Mit Minaste Yoga habe ich eine großartige Yoga-Lehrerin gefunden und konnte zunächst tolle Yoga-Stunden am Strand erleben. Jetzt sehen wir uns einmal wöchentlich online.“

„Durch die wundervollen deutschen Mamis habe ich eine Gruppe, die ich alles fragen kann und mit denen jedes Treffen, so weit möglich, besonders ist. Mit ihnen spüre ich immer auch ein Stück Heimat in Irland. Wir konnten aber auch im letzten Sommer einige internationale Mütter aus Schweden, Texas und Thailand kennenlernen, die uns sofort herzlich zu ihren wöchentlichen Treffen eingeladen haben. Auch diese gaben uns sofort zu verstehen, dass sie uns jederzeit unterstützen würden. Ein besonderes Geschenk. Daher fühle ich mich mittlerweile integriert, was vor wenigen Monaten überhaupt noch nicht der Fall war“, merkt Esther abschließend an.

Eat the Cake

Wie Esthers Lebensmotto “Life is short. Take the trip. Buy the shoes. Eat the cake.“ bereits vermuten lässt, ist sie ein Genussmensch und lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Das haben die vergangenen Monate in Irland gezeigt.

Inzwischen findet Esther auch wieder Zeit und Muße ihren Hobbies nachzugehen. „Ich liebe es zu backen und zu kochen und neue Rezepte auszuprobieren; die fertigen Köstlichkeiten zu fotografieren und gemeinsam mit meiner Familie zu testen. In meiner Freizeit schreibe ich daher gern an meinem Food Blog eat.dasbestefuergaeste.de“, erzählt Esther mit einem Leuchten in den Augen. „Beruflich arbeite ich als Redakteurin bei GoFeminin, Deutschlands führendem Frauenportal. In meinem Job und beim Bloggen kann ich meine Leidenschaft für das Schreiben ideal ausleben.“

Zudem ist Esther dabei örtlich flexibel, was ihr zunächst beim Auswandern nach Irland zugute kam. Doch auch während der Corona-Krise, bei der ein Großteil der Bevölkerung Irlands aus dem Home Office arbeitet – einschließlich Esthers Mann David – ist es von Vorteil. Es sieht also ganz danach aus als wäre bei Esther nach den großen Startschwierigkeiten eine positive Routine im Alltag auf der Grünen Insel eingekehrt.

Rheinische Frohnatur

Natürlich packt Esther hin und wieder die Wehmut, denn das Reisen in die Heimat ist nach wie vor nicht möglich. Auch ihrer anderen großen Leidenschaft – dem Karneval – konnte Esther dieses Jahr nicht frönen. Der ist hier in Irland gänzlich unbekannt.

In Esthers Heimatregion Viersen, nahe Düsseldorf, ist es normalerweise die ausgelassenste Zeit des Jahres. „Es wird viel gefeiert, gelacht, das Leben genossen. Die Leute am Niederrhein sind offen, reden viel und feiern gerne“, erzählt mir Esther. Damit passt Esther hervorragend zur irischen Mentalität, die sie von Anfang an zu schätzen wusste.

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Von nichts kommt nichts

„Nichtsdestotrotz muss man Eigeninitiative entwickeln und es ist unerlässlich offen auf die Leute in seiner neuen Heimat zuzugehen“, weiß Esther. „Sonst bleibt man alleine. Es wird einem nichts in den Schoß gelegt. Man sollte sich bewusst sein, wie groß der Schritt ist, auszuwandern. Sein Heimatland zu verlassen und seine Muttersprache nicht mehr um sich zu haben, ist ein großer Einschnitt, der aus meiner Sicht von vielen Menschen unterschätzt wird“, gibt Esther anderen Auswanderern mit auf den Weg.

Der Frühling steht nun zum zweiten Mal vor der Tür seit Esther mit ihrer Familie in Irland lebt. Die Corona-Restriktionen haben die Insel nach wie vor fest im Griff. Hoffen wir dennoch, dass der Sommer Esther in diesem Jahr mehr Freude bringt und sie ihr Irland-Abenteuer endlich unbeschwert(er) genießen kann. Sie hat es sich verdient!




Die Kunst der Kunst – Violine Sea Craft

 

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©1-3 Violine Deane, 4: Anke Marquardt

Natürlich ist Schreiben eine Kunst. Zumindest wenn man so schreibt wie Paul Coelho. Würde ich mich als Künstlerin bezeichnen, weil ich einen Irlandblog und ein kleines Projekt unter dem Titel “Bekannte in der Fremde” ins Leben gerufen habe? Eher nicht.

Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für das Schreiben. Bereits in der Grundschule schrieb ich seitenlange Geschichten und durfte sie vor der Klasse vortragen. Sicherlich hatte ich da noch den Vorteil der kindlichen Vorstellungskraft und den Bonus meines jungen Alters. Während einige meiner Klassenkameraden/innen noch mit der Rechtschreibung haderten, brachte ich bereits meine Fantasiewelt zu Papier. Rückblickend schon etwas worauf ich stolz bin.

Die Sache mit dem Schreiben

In der Erwachsenenwelt empfinde ich das Schreiben als eine Herausforderung. Zweifelsohne bringt es mir nach wie vor große Freude. Aber ich finde es schwierig gehört (bzw. gelesen) zu werden. Sei es aufgrund der Fülle an Medien und Informationen. Oder weil meine Geschichten nicht reißerisch genug sind. Dennoch bleibe ich meinem Grundsatz treu und schreibe darüber, was mich interessiert.

So entstand auch die Idee für die “Bekannten in der Fremde”. Wie schon kürzlich in meinem Interview mit dem Greystones Guide erwähnt, finde ich die Geschichten anderer Auswanderer/innen spannend. Warum hat es sie – wie mich – nach Irland verschlagen? Was führte sie in unser Städtchen Greystones? Dabei erfahre ich immer wieder Erstaunliches.

Greystones’ echte Künstlerinnen

In meinem vorherigen Artikel berichtete ich über eine echte Künstlerin – Kris. Sie kreiert unglaubliche Kunstwerke, wie ich sie vorher so noch nicht gesehen habe. Auch in meinem aktuellen Artikel soll es um eine richtige Künstlerin gehen. Ganz anders als Kris, aber nicht weniger beeindruckend, schafft Violine kreative Unikate aus natürlichen Materialien.

Obwohl Violine ursprünglich aus Frankreich stammt, könnte ihre Kunst nicht ‘irischer’ sein. Für Violine Sea Craft verwendet sie ausschließlich Dinge, die sie an den Stränden der hiesigen Küste im County Wicklow findet. In nur kurzer Zeit hat sie sich damit einen Namen in der Gemeinde von Greystones gemacht und verkauft ihre Werke unter anderem in der Boatyard Gallery und auf dem Kilmacanogue Kunsthandwerkermarkt.

Kunst im Blut

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1: Florence Bertin, Taradeau                                                                                                                                                                                                 ©1&3 Courtesy of Violine Deane, 2&4: Anke Marquardt

Violine ist ‘kunstvoll’ aufgewachsen. Ihre Mutter Florence ist selbst Künstlerin und erschafft – ebenfalls aus verschiedenen Materialien – einzigartige Skulpturen . Nicht zuletzt davon inspiriert machte Violine ihr Hobby zum Beruf und gründete im vergangenen Jahr Violine Sea Craft.

“Ich habe schöne Kindheitserinnerungen daran wie wir gemeinsam in der Natur Materialien gesammelt haben”, erzählt mir Violine. “Jetzt mache ich es zusammen mit meinen drei Jungs, denen es genauso viel Spaß macht.”

Violine Sea Craft

Am Kieselstrand von Greystones scheint es wahre Schätze zu geben. Zumindest verwandeln sie sich in solche, wenn Violine sie erst einmal zu ‘Violine Sea Craft’ verarbeitet hat. Aus Steinen, Muscheln, Treibholz und was man sonst am Strand so Natürliches findet, entstehen wundervolle Motive. Dabei sind Violines Kreativität keine Grenzen gesetzt. Aus weißen Steinen werden Möwen. Aus grünem oder blauem Meerglas ‘love birds’. Familien halten sich in den Armen und beobachten Schmetterlinge oder einen Drachen am Himmel. Für jeden Anlass gibt es das passende Motiv bei Violine Sea Craft.

Zusätzlich setzt Violine Bilder auf individuelle Wunschvorstellung um. Für mich fertigte sie bereits drei einzigartige Familienkonstellationen. Ein wunderbar persönliches Geschenk für Familie und Freunde.

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Violine Sea Craft ©Courtesy of Violine Deane

Greystones vs. Provence

Lange bevor Violine mit ihrer ‘Pebble Art’ (=Kieselstein-Kunst) und Violine Sea Craft begann, zog sie mit ihrem Mann und ihrem damals einjährigen Sohn nach Greystones, um näher bei den Schwiegereltern zu sein. “Ich habe mich sofort in den Ort verliebt”, sagt Violine. “Er passte perfekt zu meiner Liebe und Verbindung zur Natur. Außerdem liebe ich es im Meer zu schwimmen. Da gab es für mich keinen besseren Ort als Greystones.”

Und das obwohl Violine an einem Ort aufwuchs, der für mich nahezu perfekt klingt. “Ich wuchs auf einer Ziegenfarm in Taradeau auf”, erzählt mir Violine. “Taradeau ist ein kleines Dorf im Süden von Frankreich. Es ist umgeben von Weinbergen und ‘Kräutern der Provence’. Auf den Hügeln in der Umgebung wachsen Thymian, Rosmarin und Oregano. Überall gibt es lokale Lebensmittelerzeuger und Bauernmärkte, wo Wein, Olivenöl, Honig und vieles mehr angeboten werden. St. Tropez und die Lavendelfelder der Verdon-Region sind wahrscheinlich bekannter. Taradeau liegt genau dazwischen”, klärt mich Violine auf.

Ein guter Grund zum Fortgehen

Ich finde es immer wieder schön zu hören, wie meine “Bekannten in der Fremde” von ihrer Heimat schwärmen. Und das obwohl sie sie für Irland verlassen haben. Manch einer mag sich wundern, wie man die sanften Hügel der Provence gegen das regnerische Greystones eintauschen kann. Auch bei Violine waren es zunächst ganz pragmatische Gründe. Sie wollte einen Sommer lang ihr Englisch in Irland aufbessern. Keineswegs hatte sie die Absicht für immer zu bleiben. Aber Irland hat eben, wie wir “Bekannte in der Fremde” wissen, seine ganz eigene Magie. Selbst dann, wenn man auf einer Bilderbuch-Farm in der Provence groß geworden ist.

Lavender Fields VerdonGoat Farm Taradeau_ProvenceGoat Farm Taradeau_Provence

 ©1: @lucortiz_photoesie: 2&3 Courtesy of Violine Deane

“Bekannte in der Fremde” geben nicht auf

Es war im Sommer 2003 als Violine zum ersten Mal Fuß auf die Grüne Insel setzte. “Mein Englisch war sehr schlecht”, erzählt mir Violine. Ich kellnerte in einem Café. Die Aussprache hier war so anders als ich es von meinem Schulenglisch kannte. Es war hart und ich fand es sehr schwer zu kommunizieren. Durch meine eingeschränkten Sprachkenntnisse war das Arbeiten in Irland eine große Herausforderung.

Aber “Bekannte in der Fremde” geben nicht auf. Das kann ich, nach nunmehr sechs Interviews mit Greystones-‘Blow-Ins’ (= Zugezogenen), bezeugen. Trotz der Sprachbarriere blieb Violine länger in Irland als geplant, weil ihr das Land so gut gefiel. “Einige Jahre später lernte ich meinen irischen Jetzt-Ehemann kennen. Nun habe ich nicht mehr die Absicht nach Frankreich zurückzugehen. Zuerst habe ich in Dublin gewohnt und dann in verschiedenen Ecken südlich der Stadt. In Greystones haben wir uns vor knapp 4 Jahren niedergelassen.”

Es ist kaum zu glauben, dass Violine anfänglich ihre Probleme mit der englischen Sprache hatte. Heute spricht sie fließend mit einem ganz leichten, sehr charmanten Akzent.

Easy-going und Warmherzig

Abgesehen von der Sprache hatte Violine keinerlei Schwierigkeiten sich an die irische Mentalität zu gewöhnen und Kontakte zu knüpfen. “Ich hatte das Glück in Greystones auf Anhieb viele nette Menschen kennenzulernen – in der Nachbarschaft, durch Spielegruppen und am Strand bei meinem täglichen Schwimmen im Meer. Ich fühle mich hier sehr willkommen und von der Gemeinschaft aufgenommen. Das ist etwas, was mir an Irland gut gefällt. Und ganz besonders an Greystones”, sagt Violine.

“Die Iren sind total easy-going und warmherzig”, schwärmt Violine weiter. Und es sieht so aus, als hätten die irischen Männer ihre ganz eigene Anziehungskraft. So wie das irische Wetter das gemeinsame Manko der “Bekannten in der Fremde” zu sein scheint, sind die (männlichen) Iren wohl das Zünglein an der Waage, das uns zum Bleiben bewegt…

Violine & Simon_WeddingVioline & SimonVioline & Simon_WeddingVioline & Simon_Family

Violine & Simon Deane ©1&3: TheConsciousCamera.com; 2&4 Courtesy of Violine Deane



Kris’ Schicksal lag in Greystones

Wer hat Angst vorm Therapeuten?

Meine “Bekannte in der Fremde”-Artikel beginnen in der Regel damit, wie ich der Person über die ich schreibe, zum ersten Mal begegnet bin. In diesem Fall muss ich dafür mehr von mir preisgeben als mir lieb ist. Aber was soll’s…

Ganz ehrlich, wer war noch nie im Leben bei einem Psychotherapeuten oder hat zumindest schon einmal darüber nachgedacht? Nichts wofür man sich schämen müsste, oder? Im Gegenteil. Es heißt doch immer, man sollte in unserer Gesellschaft offener mit den Themen Depression und Angststörungen umgehen. Wenn es einen persönlich betrifft, ist das jedoch leichter gesagt als getan.

Immerhin oute ich mich hiermit, dass ich bereits des Öfteren einen Gesprächstherapeuten konsultiert habe und mich nicht davor scheue es wieder zu tun. Aber vorerst genug zu mir, denn schließlich soll es in diesem Artikel um Kris gehen.

Kris hypnotisiert

Was hat Kris nun also mit meiner mentalen Gesundheit zu tun? Ich stieß auf Kris’ Webseite als ich auf der Suche nach Therapeuten in meiner Umgebung war, die Hypnose praktizieren. Ich hatte das schon immer mal ausprobieren wollen, als Ergänzung zu einer konventionellen Verhaltenstherapie. Und das war die Gelegenheit. Direkt vor meiner Haustür. Die Botschaft auf ihrer Internetseite sprach mich sofort an und schnell war ein Termin vereinbart.

Unsere Treffen waren rein professioneller Natur. Dennoch war mir Kris, mit ihrer freundlichen und warmen Art, von Anfang an sympathisch. Nach wenigen Sitzungen hatte ich genug Vertrauen gefasst, um auch ein paar private Worte mit ihr zu wechseln. Unter anderem kam unser Gespräch auf die Kunst, dir mir im Therapieraum aufgefallen war. Meisterwerke der Präzession und Farbgebung. Sie zeigten ein Maß an Perfektion, das es für mich schwer vorstellbar war, dass sie handgefertigt waren. Handgefertigt von Kris – in ihrem “zweiten Leben” als Hobbykünstlerin.

Kris TiermotiveKris PointillismusKris MandalaKris PointillismusKris Tiermotive

Kris’ Form der Tiefenentspannung

Kris erzählte mir, dass die Kunst ihr Hobby sei und speziell die Form des Pointillismus (oder Dotting) sie entspannte. Ihre Mandalas, abstrakten Motive und Tierbilder sind einzelne Farbtupfer (= dots), die im Auge es Betrachters zu einem Gesamtbild verschmelzen. Eine Technik, die einem zweifelsohne viel Geduld und Konzentration abverlangt. Was für Kris eine Form der Tiefentspannung ist, würde mich wahrscheinlich endgültig in den Wahnsinn treiben. Womit sich der Kreis zur Therapie wieder schließt.

Ganzheitlicher Ansatz

Als ich mit meinen Artikeln “Bekannte in der Fremde” begann, war mir sofort klar, dass ich Kris dabei haben wollte. Neben ihrer faszinierenden Kunst fand ich auch ihren beruflichen Werdegang höchst interessant. Kris absolvierte ihr Studium in verschiedenen Bereichen der Medizin – Pharmazie, Toxikologie, Ernährungswissenschaften und Psychotherapie. Bereiche, von denen auch ich während meiner Therapie bei Kris profitierte. Ihr ganzheitlicher Ansatz berücksichtigt bei der Behandlung demnach nicht nur die Seele, sondern zieht auch körperliche Belange, wie beispielsweise die Ernährung, in Betracht.

Veränderung ist Positiv

In Einklang mit Kris’ Lebensmotto heißt auch ihre Therapie-Webseite ‘Change is good’ (Veränderung ist gut). Ähnlich wie schon Farzana in meinem vorherigen “Bekannte in der Fremde”-Artikel, ist Kris der Auffassung, dass das Leben ständig im Wandel ist und das auch gut so ist.

Ich persönlich habe meine Probleme mit Veränderungen. Nicht dass ich sie zwangsläufig als negativ erachte. Aber ich finde es schwierig mich an Neues zu gewöhnen und Gewohntes aufzugeben. Nichtsdestotrotz habe ich in meinem Leben bereits große Veränderungen hinter mich gebracht und sie waren stets zu meinem Besten. Eine davon selbstverständlich mein Umzug nach Irland.

Ich stimme Kris zu, dass sich natürlich auch unsere Sichtweise auf die Dinge ändert je älter – und hoffentlich weiser – wir werden. “Unsere Lebensphilosophie basiert auf unserem Glauben, unseren Moralvorstellungen, den Erfahrungen die wir gemacht haben und unseren Erwartungen”, sagt sie. “Ich würde sagen, authentisch zu sein und mich selbst zu akzeptieren während ich mich verändere und weiter entwickele, sind die Grundfesten meiner Lebensphilosophie. Mir ist es wichtig als gutes Beispiel meiner eigenen Glaubensgrundsätze voranzugehen und für sie einzustehen.”

Ausländerstatus als Eisbrecher

Zu lernen mich selbst zu akzeptieren und zufrieden mit mir zu sein, ist ein Grund, warum ich Kris als Therapeutin aufgesucht habe. Es mag albern klingen, aber dass Kris wie ich aus dem Ausland kommt und keine englische Muttersprachlerin ist, half mir, mich sicherer und weniger fehl am Platze zu fühlen.

Zudem war es ein leichter Einstieg uns zunächst darüber auszutauschen woher wir ursprünglich kommen. Kris’ Heimat rief zugleich Erinnerungen an einen meiner Campingurlaube vor vielen Jahren hervor. In einem Land, das ich glücklicherweise bereist habe, bevor es der Massentourismus für sich entdeckt. Ein Fakt, der mir sehr wichtig ist, wie jeder der meinen Artikel Verlassen in Irland gelesen hat, weiß.

Litauen_Kurische NehrungLitauen_Campingurlaub 2006Litauen_Berg der KreuzeLitauen_Kurische NehrungLitauen_On the Road

Goldene Strände voller Bernstein

“Litauen hat einzigartig goldene Sandstände voller Bernstein und Sanddünen, die auf beiden Seiten vom Meer eingerahmt sind. Es gibt wunderschöne Wälder mit grün-schimmernden Moosteppichen. Hier und da findet man noch unveränderte, historische Dörfer mit reetgedeckten Häusern, die inzwischen von der UNESCO geschützt sind. Die Städte sind klein aber sehr charmant mit vielen historischen und architektonisch sehenswerten Gebäuden. Nicht zu vergessen die engen Gassen und kleinen Restaurants sowie einladenden Cafés.” So beschreibt Kris ihr Herkunftsland, als ich sie nach dessen Besonderheiten frage.

Unvergessen – Die Kurische Nehrung

Obwohl ich Litauen nur von einem einzigen Sommerurlaub im Jahr 2006 kenne, ist es mir genauso in Erinnerung geblieben. Insbesondere die goldenen Sandstrände und allen voran die Kurische Nehrung, werde ich wohl nie in meinem Leben vergessen. Ebenso wie sie die Freundin meiner Großmutter niemals vergaß. Sie war unweit davon, in Nidda, aufgewachsen und als junges Mädchen nach dem 2. Weltkrieg, mit dem Rest der deutschen Bevölkerung, vertrieben worden. Das hatte sie nicht davon abgehalten immer wieder von dem 100 km langen Sandstrand zu schwärmen, der das Kurische Haff von der Ostsee trennt.

Die riesigen Sanddünen stehen heute unter dem Schutz der UNESCO. Es war ein Privileg sie vor 15 Jahren noch betreten zu dürfen. Denn man sagte uns, dass dies vielleicht bald verboten sein könnte, um die Dünen vor der Abtragung zu schützen. Sie erstrecken sich an der schmalsten Stelle über eine Breite von 400 Metern und dehnen sich bis zu 4 km an der breitesten aus. Das soll schließlich so bleiben.

Es war ein regelrechtes Wettrennen gewesen am Vorabend noch einen Platz auf dem einzigen und stark überfüllten Campingplatz nahe der Kurischen Nehrung zu bekommen. Am Strand war am nächsten Morgen von den Menschenmassen allerdings nicht viel zu sehen. Und so wurde unser Besuch auf der Kurischen Nehrung zu einem wahrlich unvergesslichen Erlebnis!

Kaunas – Eine Studentenstadt zum Leben

Neben der unberührten, wunderschönen Landschaft beeindruckten mich damals auch die litauischen Städte. Als Kris mir erzählte, sie sei aus Kaunas, kramte ich meine alten Fotos hervor, in denen sich Kris’ Beschreibung widerspiegelt: “Meine Heimatstadt Kaunas ist die zweitgrößte Stadt Litauens und bekannt für ihre herausragende Architektur (UNESCO City of Design). Es gibt großartige Museen, beeindruckende Kathedralen und Theater. Kaunas ist außerdem eine Universitätsstadt mit einer der besten Medizin-Fakultäten in Osteuropa und ich bin stolz meinen Abschluss dort gemacht zu haben.”

“94% der in Kaunas lebenden Bevölkerung ist litauisch, was für eine moderne europäische Stadt sehr ungewöhnlich ist”, erzählt Kris weiter. Ich muss zugeben, dass es mich tatsächlich überrascht, dass Kaunas noch nicht zu einem Einwanderer-Paradies für junge Menschen geworden ist.

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“Ich schaute bei Google und entschied mich für Wicklow“

Das bringt mich zu der Frage, warum Kris selber Kaunas verlassen hat, um nach Irland zu gehen. Und wie hat es sie, als unsere fünfte “Bekannte in der Fremde”, nach Greystones verschlagen?

Als Kris sich entschied eine Auszeit von ihrem Job bei einem litauischen Arbeitgeber zu nehmen, fiel ihre Wahl ganz zufällig auf die Grüne Insel. Wie auch ich mich damals für Irland entschied, weil es ein kleines, englisch-sprachiges Land nicht zu weit von zu Hause war, tat Kris das bereits viele Jahre vor mir. Vor 19 Jahren um genau zu sein. Während ich erst über Umwege nach Greystones kam, war der Küstenort im Co. Wicklow bereits für Kris vorgesehen – auf ihrer ‘geheimen Karte’, wie sie es selber nennt. “Ich schaute bei Google und entschied mich für das Garten County Wicklow”, sagt Kris. Als sie in Greystones wenig später ihrem zukünftigen Ehemann begegnete, war ihr Schicksal besiegelt.

Entwurzelt in Irland

Es ist allemal besser von einem Land angezogen zu werden, wie Kris vom mystischen Irland, als lediglich aus seinem Heimatland weg zu wollen. Nichtsdestotrotz bringt das Auswandern in ein fremdes Land eine gewisse Entwurzelung mit sich, findet Kris: “Es ist ein unheimliches Gefühl wie es vermutlich jeder Auswanderer anfangs erlebt. Das Gefühl keine Wurzeln in einem Land zu haben, wo man fortan leben wird. Nicht mal eben bei der Familie zum Sonntagsessen vorbeischauen zu können, oder bei einer Freundin auf eine Tasse Tee. Es gibt (noch) keinen Ort, an dem man sich geborgen fühlt, wenn man Sorgen hat. Wissend, dass man auf der Straße keinem alten Schulfreund begegnen wird; dass kein Schaufenster in der Stadt sentimentale Erinnerungen hervorruft. Deine Vergangenheit ist auf einmal nicht mehr relevant. Du fängst bei null an.”

Fast Food und keine Mischbatterie

Die amüsantesten Antworten meiner “Bekannte in der Fremde”-Serie erhalte ich immer auf die Frage nach dem größten Kulturschock. Auch Kris’ Antwort bringt mich wieder zum Schmunzeln: “Viele der kulturellen Unterschiede zwischen Litauen und Irland waren so kurios, dass sie mich eher zum Lachen brachten als mir zu schaffen zu machen. Es hat eine Weile gedauert bis ich gelernt habe mit zwei getrennten Wasserhähnen am Waschbecken klarzukommen ohne mir die Finger zu verbrühen. Interessant war es auch zu beobachten wie die riesigen Doppeldeckerbusse durch die engen, vollen Straßen Dublins manövrieren. Ich war verblüfft wie viele Fast Food Restaurants es hier gab. Als ich Litauen verließ, gab es gerade mal ein McDonald’s in der zweitgrößten Stadt des Landes.

Von dem “Schock” über die mancherorts fehlende Mischbatterie kann auch ich ein Lied singen. Meine Eltern wundern sich heute noch bei jedem Besuch wie wir mit zwei Hähnen für Warm- und Kaltwasser in der Küche überleben. Nicht nur ein “deutsches Ding”, wie ich nun dank Kris weiß.

Keine Sommer, Keine Winter

Die irischen Sommer – oder vielmehr ihr Nicht-Vorhandensein – zieht sich wie ein roter Faden durch die Antworten meiner Interviews mit meinen “Bekannten in der Fremde”. Obwohl die kühlen Sommermonate auf der Insel nicht selten eine Herausforderung für Zugereiste darstellen, haben viele gelernt sie mit irischem Humor zu nehmen. So auch Kris: “Wenn ich mit meinen Eltern in Litauen spreche, machen wir uns immer einen Spaß daraus, das Wetter zu diskutieren. Wenn ich nach den winterlichen Temperaturen in meiner Heimat frage, antworten sie – sehr mild, kein richtiger Winter dieses Jahr. Das heißt dann ‘nur’ minus 10 Grad. Wenn ich ihnen im Sommer erzähle, dass wir eine Hitzewelle mit um die 20 Grad haben, bemitleiden sie mich und sagen – wieder kein Sommer in Irland!”

Lernen, Lernen, Lernen

Nicht nur im Bezug auf das Wetter ist Akzeptanz ein wichtiger Aspekt für Kris, wenn man in einem fremden Land heimisch werden möchte. Der Andersartigkeit von Menschen, Kultur und Umständen offen gegenüber zu stehen, ist der Schlüssel des erfolgreichen Auswanderns, meint Kris:

[…] sie sollten sich bewusst sein, wenn sie einmal die Entscheidung getroffen haben, in einem anderen Land zu leben, dass sie fortan alles betrifft, was in diesem Land passiert. Es gibt kein ‘unser’ oder ‘euer’ mehr. Viele Ausländer, denen ich durch meine Arbeit begegnet bin, fühlen sich nicht wohl dabei sich unter die Einheimischen zu mischen oder sich in die örtliche Gemeinschaft einzubringen. Sie nutzen die kulturellen Unterschiede als Ausrede um Kontakt zu vermeiden.

Mein Rat ist – lernen, lernen, lernen! Über die Geschichte, die Kultur und Traditionen des Landes, in dem du dich irgendwann zu Hause fühlen möchtest. Immer wieder wirst du etwas Neues und Wundervolles entdecken. Es lohnt sich!




Wie um Himmels Willen konntest du Mauritius verlassen?

Mauritius - InselnordenMauritius - Wanderung durch ZuckerrohrMauritius - Farzanas StrandMauritius - Teefelder

Von Insel zu Insel – Farzanas Geschichte

Ich liebe mein Projekt „Bekannte in der Fremde“. Mit jedem Artikel lerne ich so viel Neues über ein fremdes oder sogar mein eigenes Land. Wie der Name schon sagt sind alle bisherigen Teilnehmer(innen) Bekannte von mir. Dennoch bin ich immer wieder überrascht wie viel ich dabei auch über sie erfahre. Es ist mir eine Freude ihre Auswanderer-Geschichten auf meinem Blog teilen zu dürfen.

Farzana beantwortete meine Interviewfragen so ausführlich und spannend, dass ich mir eigentlich gar nicht die Mühe machen müsste, sie in einen Blogartikel umzuschreiben. Aber ich möchte ihre Geschichte mit meinen eigenen Worten nacherzählen. Wie immer soll es dabei auch ein wenig um mich und meine Sichtweise gehen. Wir freuen uns über Feedback und Kommentare zu ‘unserer’ Geschichte!

Unsere erste Begegnung

Unsere erste Begegnung scheint mir ein guter Anfang zu sein. Ich lernte Farzana – wie auch schon Ana aus meinem vorherigen Artikel – in einer Spielegruppe in Greystones kennen, wo wir über unsere Kinder ins Gespräch kamen. Ich hatte Farzana gefragt, wie um Himmels Willen sie Mauritius verlassen konnte, um stattdessen in Irland zu leben. Unmittelbar danach biss ich mir auf die Zunge, denn diese Frage hatte sie wahrscheinlich schon unzählige Male zuvor gehört. Hätte ich mir nicht etwas Originelleres einfallen lassen können?

Ich muss dazu sagen, dass für mich nicht offensichtlich war, woher Farzana kommt. Noch nie war ich jemandem aus Mauritius begegnet und wusste auch nicht viel über die kleine Insel im Indischen Ozean. Außer dass sie wegen ihrer Strände ein beliebtes Hochzeitsreiseziel war. Doch nach meiner plumpen Auftaktfrage wollte ich nicht auch noch mit Klischees um die Ecke kommen.

Warum Irland?

Die Kernfrage meiner „Bekannte in der Fremde“-Artikel. Immerhin bewog sie mich überhaupt erst zu dieser kleinen Blogserie. Denn auch ich hatte die selbe Frage in meinem allerersten Blogartikel beantwortet. Ich finde es spannend, wie und warum es Auswander/innen wie mich nach Irland verschlug. Und insbesondere wie sie letztendlich in Greystones landeten.

Farzana hatte schon in anderen europäischen Ländern gelebt, bevor sie nach Irland kam. Während ihres Studiums in Frankreich lernte sie ihren mauritischen Mann kennen, der zu dieser Zeit in Irland studierte. Als sie nach Mauritius zurückkehrte, um dort für ein paar Jahre zu arbeiten, blieb ihr Zukünftiger in Irland und schloss sein Studium ab. Nach ihrer Hochzeit zog Farzana zu ihm auf die Grüne Insel, wo sie glücklich und zufrieden lebten.

Von Mauritius nach Greystones

Es wäre eine sehr kurze Geschichte, wenn jetzt schon das „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ kommen würde. Mit ihrer inzwischen vierköpfigen Familie lebte Farzana für 8 Jahre in Dublin, bevor sie und ihr Mann sich entschlossen, nach Mauritius zurückzukehren. Sie wollten näher bei ihren Familien sein, nun da sie selber 2 kleine Kinder hatten.

Aber nach nur 9 Monaten in ihrer Heimat stellten sie fest, dass sie dort nicht das fanden, was sie sich für ihre junge Familie vorgestellt hatten. Aus persönlichen und beruflichen Gründen ging es also wieder nach Irland, dieses Mal in das familienfreundliche Greystones. Freunde halfen ihnen Fuß zu fassen und ihr damals 3 Jahre alter Sohn fand schnell Anschluss in der Vorschule. Das klingt erneut nach einem Happy End, ist aber noch immer nicht das Ende von Farzanas interessanter Geschichte.

Warmherzig und distanziert

Farzana und ihre Familie leben seit nunmehr fast 2 Jahren in Greystones. Die Antwort auf die Frage, ob sie sich gut integriert fühlt, überraschte mich sehr: „Die meiste Zeit fühle ich mich hier willkommen und als vollwertiges Mitglied der örtlichen Gemeinschaft. Aber es gibt auch Tage da komme ich mir fehl am Platze vor. Einsam und irgendwie als ob ich nicht hier sein sollte. Es war meine Entscheidung in einem fremden Land zu leben und daher werde ich das wohl akzeptieren müssen.“

„Es gibt einige wenige Leute in Greystones, die zu Recht denken, dass Ausländer ihnen den Platz wegnehmen“, sagt Farzana. „Und natürlich fühle ich mich nicht so wohl, wenn mir jemand dieses Gefühl vermittelt. Aber ich habe bereits in vielen anderen europäischen Ländern gelebt und war im Großen und Ganzen angenehm überrascht von der Wärme und Herzlichkeit der Iren. Mit meiner Hautfarbe und meinem Namen ist es nun mal eine Herausforderung woanders zu leben“, merkt Farzana abschließend zu diesem Thema an.

Farzana - Portrait Strand GreystonesFarzana - Strand GreystonesFarzana Swimrise GreystonesFarzana The Cove Greystones

Rassismus in Greystones?

Es fällt mir schwer die Worte Rassismus und Greystones in einem Satz zu erwähnen. Beinahe wie ein Tabu. Es ist nicht so, dass ich einen Bogen um das Thema machen möchte oder denke, dass es nicht existiert. Aber es fühlt sich befremdlich an festzustellen, dass Rassismus selbst vor so einem so kleinen, familienfreundlichen Ort wie Greystones nicht Halt macht.

Dabei ist es wahrscheinlich gerade in einer Kleinstadt ein Thema. In Greystones kennt man sich, begegnet sich regelmäßig auf der Straße. Man ist Teil einer überschaubaren Gemeinde. Das ist schön, bedeutet aber auch, dass man heraussticht, wenn man eine andere Hautfarbe hat. Anders als in einer multikulturellen Großstadt.

Alle im selben Boot – oder doch nicht?

Genau wie die Iren sind auch die Mauritier eine Auswanderernation, wie mir Farzana erklärt: „Das Auswandern steckt uns wahrscheinlich in den Genen. Schon unsere Vorfahren waren Auswanderer, die nach Mauritius kamen. Mir sagte mal jemand, dass es für so eine kleine Insel ganz schön viele von uns überall in der Welt verteilt gibt.“

Als Auswanderin kann ich gut nachempfinden was Farzana über das Thema Integration in einem fremden Land sagt. Und gleichzeitig auch nicht. Denn selbst im kleinstädtischen Greystones falle ich nicht unmittelbar als Ausländerin auf. Wenn ich mich gelegentlich als Außenseiterin fühle, weil ich befürchte, jemand könnte sich an meinem Akzent stören, findet das eher in meinem Kopf statt. Nicht so bei Farzana. Als Zugewanderte haben wir beide theoretisch den selben Status. Und doch bekommt Farzana das ‘Anderssein’ auf eine andere Weise zu spüren als ich. Das ist genau worum es bei Rassismus geht, oder?

Ein bisschen Geschichte

„Mauritius wurde von vielen verschiedenen Ländern kolonisiert, weil es sozusagen ein Zwischenstopp auf dem Seeweg von Europa nach Asien war. Eine Insel, auf der es zunächst nur Berge, Wald und Tiere gab. Nach und nach wurde das Eiland von seinen Entdeckern bevölkert. Erst von den Niederländern, dann den Franzosen und Briten. Demnach sind Mauritier die Nachkommen all der Völker, die sich auf Mauritius niederließen (wahrscheinlich zwischen 1600 und 1800).“

Traurigerweise kamen viele der Siedler unfreiwillig nach Mauritius, um das Land zu bewirtschaften und Viehzucht zu betreiben. Sie waren Sklaven aus Afrika und Arbeiter aus Indien (Farzanas Vorfahren). „Es ist dennoch ein wichtiger Bestandteil der mauritischen Geschichte, der die Insel zu dem machte, was sie ist und den Menschen seine Identität gab. Deshalb haben wir ein reiches Erbe, was die Architektur, Küche und Sprachen angeht“, sagt Farzana stolz.

Geschmacksache

Als Farzana mir die Frage nach ihrem größten Kulturschock in Irland beantwortet, muss ich schmunzeln: „Was mir zu schaffen macht ist, dass jedes Dessert mit zu viel Sahne serviert wird und die Essensportionen riesig sind”. Im Gegenzug dazu scheinen die Iren kein Konzept von ‘zierlich, aber gesund’ zu haben. Ich erinnere mich wie mir Farzana berichtete, dass ihre Tochter als Baby ständig zum Wiegen antreten musste, weil sie nicht den irischen Gewichtsstandards entsprach. Dabei hätte ein Blick auf Farzanas filigrane Statur genügt, um zu wissen, dass die heute 3-Jährige nie auf dem gleichen Perzentil wie irische Gleichaltrige landen wird.

Im Bezug auf die Größe der Portionen im Restaurant sind sich Deutsche und Iren wohl recht ähnlich. Nicht aber, wenn es um die Kleidungsetikette geht, bei der ich Farzanas zweiter Aussage zum Thema Kulturschock nur beipflichten kann. Auch ich finde es nicht salonfähig sich im Jogginganzug zu gesellschaftlichen Anlässen zu zeigen. Ein Kulturschock für Deutsche und Mauritier gleichermaßen.

Irische Sommer sind Mauritische Winter

Als Farzana zugibt, dass sie tatsächlich ein wenig gebraucht hat, um sich an das irische Wetter zu gewöhnen, fühle ich mich nicht mehr ganz so schlecht ihr die Eingangsfrage gestellt zu haben. Angesichts des tropischen Klimas auf Mauritius ist es erstaunlich, dass Farzana nicht direkt wieder die Flucht ergriffen hat. Auf der Grünen Insel im Atlantik pegeln sich die Sommertemperaturen mitunter bei 18 Grad ein. Für die Grüne Insel im Indischen Ozean ist das beinahe der Winterdurchschnitt.

Eine Kindheit wie im Traumurlaub?

Obwohl Farzana unweit des Strandes im Osten von Mauritius aufwuchs, verbringt sie heute mehr Zeit in der Irischen See als damals im Indischen Ozean. „Die mauritische Ostküste ist berühmt für ihre Strände und die touristischen Resorts,“ erzählt mir Farzana. Als ich mir gerade vorstelle, wie es wohl gewesen sein muss in einer der beliebtesten Urlaubsregionen der Welt aufzuwachsen, wirft Farzana ein, dass sich kaum Einheimische diese Ferienparadiese leisten konnten.

„Glücklicherweise hat sich das geändert und auch Inselbewohner machen zunehmend Urlaub in den örtlichen Hotels – wenn auch in der Nebensaison. Den Eindruck, den ausländische Gäste von Mauritius bekommen, beschränkt sich allerdings auf die Traumstrände. Kaum einer sieht etwas vom alltäglichen Leben und wie die Menschen auf Mauritius arbeiten,“ merkt Farzana an.

Authentisch aber Bequem

Ich habe lange im irischen Tourismus gearbeitet und stelle weltweit immer wieder Parallelen in der Branche fest. Allem Anschein nach gibt es einen Trend zum nachhaltigen Reisen und authentischen Erlebnissen. Aber gerade das Thema Authentizität hat seine Grenzen. Viele möchten in ihrem Urlaub dann doch nicht ihre Komfortzone verlassen, denn schließlich soll es ja Erholung sein. Es reicht ihnen aus die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abzuklappern und das Land als ‘bereist’ abzuhaken.

Da gibt es die großen Kreuzfahrtschiffe, die Nachhaltigkeit und grünen Tourismus promoten. Die Hop-on-hop-off Busse, die Touristen durch die Slums kutschieren – Fotostopp inklusive. Agenturen, die ‘Einen Tag Arbeit im Reisfeld’ als Abenteuer pur verkaufen. Immerhin geschieht vieles unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit, der Geld in die Kassen armer Regionen spült und die Aufmerksamkeit auf Probleme lenkt. Doch was hat das bitteschön mit authentischen Erlebnissen zu tun?

Die ‘Touristen-Hülle’

Während meiner Tätigkeit bei diversen irischen Reiseveranstaltern bekam ich des Öfteren die Anfrage nach einem Treffen mit einer ‘authentischen irischen Gemeinde’. Man wollte sozusagen die ‘Ureinwohner’ des Landes – am liebsten noch im authentischen, heimischen Wohnzimmer – treffen. Der Bestseller ist nach wie vor die Traditionell Irische Nacht mit Volkstanz und Folklore Musik. Denn das ist – laut Reisebroschüre – was die Iren allerorts tun. Mein irischer Mann sagt dazu, dass wir sie zu uns nach Hause einladen sollten, damit sie uns Freitagabend beim Einschlafen auf der Couch zuschauen können. Das ist dann wirklich authentisch.

Mal ganz im Ernst, natürlich verstehe ich das Konzept, Touristen durch Folklore und lokale Bräuche die Kultur eines Landes näherzubringen. Aber anstelle von Authentizität wird da wohl eher eine Inszenierung geboten. Verständlicherweise kann eine 40-köpfige Reisegruppe nicht einfach in ein Pub einmarschieren um dort spontan einer irischen Trad-Session beizuwohnen. Und darin liegt für mich der Widerspruch – eine einstudierte Show vor Massenpublikum ist selten authentischen Charakters. Ist es nicht schade, wenn man auf Reisen nur die Touristenfassade eines Landes präsentiert bekommt?

Ich selber habe mich schon vor einer Weile sowohl beruflich als auch privat vom Pauschaltourismus distanziert. In meine Überlegungen wie und ob es für mich als Touristikerin in der Branche weitergehen soll, platzte die Corona-Krise…

Farzanas Beruf(ung)

Diesen kleinen Exkurs in die Reisebranche konnte ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen. Auch in Mauritius ist der Tourismus die größte und bedeutendste Einnahmequelle des Landes. Farzana fand ihre Berufung allerdings in einem anderen Sektor, den ich persönlich sehr spannend finde. Als Wirtschaftspsychologin war sie bereits in vielen Bereichen in Irland wie u.a. dem Gesundheitswesen, dem Energiesektor, dem Flugverkehr und dem Militär tätig.

Nach einer 3-jährigen Karrierepause für ihre Kinder wagt sie nun langsam den Wiedereinstieg in den Beruf. Als Expertin auf ihrem Gebiet ist sie für Personalauswahl und -evaluierung in Unternehmen zuständig und bietet entsprechende Trainings und Beratung an. Zum Anderen hilft sie Angestellten ihr Potenzial bestmöglich zu entfalten und individuelle sowie wirtschaftliche Ziele zu erreichen.

“Ein Schock für’s System”

Während ich Farzana und ihrer Tochter Anfang des Jahres noch in den wöchentlichen Spielegruppen begegnete, wo sie sich ehrenamtlich engagierte, sind unsere Treffen nun selten geworden. Doch wenn ich Farzana sehe, dann meistens am Strand von Greystones. Schon in den frühen Morgenstunden stürzt sie sich dort in die eisigen Fluten der Irischen See. Ein Hobby, worauf sie zurecht stolz ist.

“Im September 2019 gewöhnte ich mir – gemeinsam mit einer Gruppe anderer Mamis – das Schwimmen im Meer an. Das kalte Wasser belebt mich und hilft mir ein besseres Körpergefühl zu entwickeln. Obwohl es am Anfang wie ein Schock für’s System ist, fühle ich mich jedes Mal gut danach. Es ist wie ein Kick und so erfrischend, dass ich es immer wieder mache. Danach bin ich gewappnet für alles was der (All-)Tag für mich bereithält. Ich bin sehr dankbar so nah am Meer zu wohnen. Oft begegne ich hier Gleichgesinnten, mit denen ich die Leidenschaft für das Schwimmen teile.”

Offline-Fortsetzung folgt…

Es gibt noch so viele Dinge, die ich Farzana über ihre Heimatinsel Mauritius fragen möchte. Aber das werden wir dann mal bei einem Kaffee in Greystones fortsetzen. Abschließen möchte ich Farzanas Geschichte mit ihrem, wie ich finde, sehr passenden Lebensmotto: “Nichts ist so beständig wie Veränderung.” Gerade in Zeiten von Corona, in denen sich unser Leben innerhalb weniger Wochen so stark und bleibend verändert hat, ist diese Aussage aktueller denn je.

“Das Leben verändert sich ständig”, sagt Farzana. “Ich lebe nicht mehr bei meinen Eltern. Meine Kinder sind keine Babys mehr, ich selber nicht länger eine junge Berufsanfängerin und so weiter und so fort. Nutz die Zeit, die nächste Veränderung kommt bestimmt!”




Bekannte in der Fremde – Alle kennen Ana!

Warum nicht Spanien?

Ja, warum eigentlich nicht? Wer mich oder zumindest meine Blogartikel kennt, dem kommt diese Frage vielleicht nicht ganz so aus der Luft gegriffen vor. Denn in meinem allerersten Blog-Post als Gastbloggerin bei „Die Blaue Banane“ beantwortete ich bereits die Frage „Warum Irland?“.

Und was hat das jetzt miteinander zu tun? Bevor ich 2014 nach Irland auswanderte, nachdem ich mich bei einem 6-monatigen Praktikum in die Grüne Insel verliebt hatte, hatte ich mein Herz schon einmal an ein Land verloren – Spanien.

In meiner Ausbildung zur Internationalen Touristikassistentin vor 18 Jahren (wow, ist das lange her!) stand Spanisch auf dem Lehrplan. Mir gefiel die Sprache so gut, dass ich mich entschied das vorgesehene Auslandspraktikum in Spanien zu verbringen. Genau genommen in Santiago de Compostela, das Ziel so vieler Pilger(innen) aus der ganzen Welt.

Irland vs. Spanien

Allein über diese 3 Monate, als meine erste Auslandserfahrung, könnte ich ein Buch schreiben. Aber das war noch nicht das Ende meiner „Liebesbeziehung“ zu Spanien. Als ich Jahre später Tourismus- und Freizeit Management studierte, verbrachte ich 2008 erneut ein Semester in Spanien. Dieses Mal 6 Monate in Salamanca, in der autonomen Gemeinschaft Kastilien und León, im Westen Spaniens. Währenddessen und im Anschluss bereiste ich mit Freunden einen Großteil des restlichen Landes.

Um die Frage vom Anfang zu beantworten: Hätte mir Irland kurz danach nicht völlig den Kopf verdreht, wäre ich stattdessen vielleicht nach Spanien ausgewandert.

Spanisch ist nicht gleich Spanisch

Ich muss zugeben, dass ich anfangs schon meine Schwierigkeiten mit dem spanischen Lebensstil hatte. Selbst als bekennende Nachteule und Befürworterin der Siesta, war das spanische Zeitverständnis noch einmal ein anderes. „Unter der Woche nicht so spät ins Bett gehen“ konnte da schon mal bedeuten nur” bis kurz nach Mitternacht aufzubleiben.

Nichtsdestotrotz tat das meiner Liebe zu der spanischen Kultur und vor allem der Sprache keinen Abbruch. Damit wären wir auch schon wieder bei Klischees. Denn eigentlich gibt es nicht die eine spanische Kultur. Nord- und Südspanien sind beinahe so unterschiedlich wie zwei völlig andere Länder.

Und es gibt auch nicht nur die eine spanische Sprache. Neben Kastilisch als offizieller Amtssprache Spaniens, existieren 4 weitere inoffizielle Sprachen, die weit über nur einen Dialekt hinausgehen: Katalanisch, Galizisch, Baskisch und Aranesisch. Während ich von meinen Kolleginnen im Pilgerbüro damals sogar ein paar galizische Wörter gelernt hatte, bin ich jetzt schon froh, einen halbwegs vernünftigen Satz in irgendeinem Spanisch herauszubekommen. Eher ziehe ich mich stillschweigend zurück, wenn ich jemanden Spanisch reden höre – aus Angst ich könnte in die Versuchung geraten, mit meinen verbliebenen Brocken auf Spanisch zu antworten.

Ana – ein Vorbild

Als ich Ana zum ersten Mal traf, wie sie mit ihren wenigen englischen Worten, ganz ohne Furcht auf die Leute zuging und sich mit Händen und Füßen verständlich machte, wusste ich, dass ich meine eigene Hemmschwelle überwinden und sie auf Spanisch ansprechen musste.

Nicht etwa um Anas Willen. Sie kam ganz gut alleine klar. Es war vielmehr so, dass ich gerne mehr mit ihr reden wollte. Ich wollte ihr sagen, wie großartig ich ihre Bemühungen fand sich zu integrieren. Dass ich vor ihr den Hut ziehe, wie sie sich trotz geringer Sprachkenntnisse, ganz ohne Berührungsängste unter das Volk mischt. Wie sie selbst anderen Neuankömmlingen noch dabei hilft sich willkommen zu fühlen. Aber vor allem war ich neugierig auf Anas Geschichte.

Anas Geschichte

Anas Geschichte zeugt von viel Mut, Großherzigkeit und Bestimmtheit. Im November 2017 kam sie von Elche an der spanischen Costa Blanca nach Irland. Ihre Enkelin Nora war damals knapp 4 Monate alt und Anas Tochter war im Begriff in ihren alten Job zurückzukehren. Ana war nach Greystones gekommen, um Nora tagsüber zu betreuen.

November ist nicht gerade die beste Zeit, um einen Neuanfang in Irland zu starten. Die Tage sind oft grau und es regnet viel. Demnach spielt sich mehr drinnen ab als unter freiem Himmel.

Es ist ein Wunder wie es Ana überhaupt gelungen ist, Leute in Greystones zu treffen, das sie fortan ihr Zuhause auf unbestimmte Zeit nennen würde. Ich erinnere mich wie sie mir in einem unserer ersten Gespräche – in einem Mix aus Englisch und Spanisch – erzählte, dass die kurzen Tage während des irischen Winters besonders hart waren. In Elche, das in der Provinz Alicante im Südosten Spaniens liegt, konnte man sich selbst zu dieser Zeit noch bis spät in den Abend hinein bei milden Temperaturen draußen aufhalten. Nicht so in Irland.

Kulturschock? Keineswegs!

„Alles macht so früh zu“, sagt Ana und zuckt mit den Schultern. „Nirgendwo kann man sich nach 18 Uhr noch auf einen Kaffee treffen.“ Das muss ein richtiger Kulturschock für Ana gewesen sein, dachte ich mir. Ana hingegen bleibt positiv: „Eine große kulturelle Umstellung habe ich eigentlich nicht wahrgenommen. Die meisten Iren, die ich getroffen habe, sind easy-going, halten gern einen Schwatz und das Eis ist schnell gebrochen. Die irische Gastfreundschaft ist legendär!“

Ana selbst ist ein sehr positiver und glücklicher Mensch. So beschreibt sie sich mit wenigen Worten und auch ich habe sie so kennengelernt. Ihren Mitmenschen mit Respekt begegnen, das ist hier wichtig. So wird sie es leicht haben sich in ihre neue Umgebung zu integrieren. Wenn nur die Cafes nicht so zeitig schließen würden…

Die Enkelin als Türöffner

“Eines Tages war ich mit meiner Enkelin Nora unterwegs und traf eine Mama, die mich zu einer der örtlichen Spielgruppen einlud. Dort traf ich dann andere Eltern, Großeltern, Tagesmuttis und Au-pairs aus verschiedenen Ländern. Das hat meinen Alltag hier in Greystones ungemein erleichtert.“

Nach wie vor mit wenig Englisch, brachte sich Ana von Anfang an bei den Kinder- & Elterntreffs ein. Anstelle sich in eine Ecke zurückzuziehen und lediglich mit ihren Landsleuten zu kommunizieren (von denen es durchaus einige gab), war Ana überall präsent. Oft war sie zur Stelle, wenn mal Not am Mann (bzw. am Kind) war. Ohne zu zögern tröstete sie schluchzende Kinder, deren Bezugsperson gerade mal einen Augenblick außer Sichtweite war. Großzügig verteilte sie Snacks (mit Einverständnis der Eltern) und kleine Goodies zur Weihnachtszeit. Zur Geburt unserer Tochter bedachte sie uns sogar mit einem Geschenk. Es war nicht verwunderlich, dass Ana schon bald viele Kinder und Eltern beim Namen kannte. Es war einfach unmöglich Ana mit ihrer freundlichen und dennoch keineswegs aufdringlichen Art in der Spielgruppe zu übersehen. Ich bin mir sicher, dass Ana inzwischen auch in Greystones kein unbekanntes Gesicht mehr ist.

Der Lockdown brachte uns näher

Mit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus im März, beschloss ich Ana zu kontaktieren. Einerseits weil ich wissen wollte wie es ihr und Nora geht, zumal wir beim letzten Elterntreff nicht ahnten, dass wir uns solange nicht sehen würden. Zum anderen wollte ich durch das Schreiben mit Ana mein Spanisch aufpolieren. Vielleicht würde ich mir wieder selbstbewusster eine mündliche Kommunikation zutrauen, bis ich Ana das nächste Mal begegnete.

Und so traten wir in einen regen, schriftlichen Austausch und lernten uns besser kennen. Wir stellten fest, dass wir beide leidenschaftliche Köchinnen (Ana sogar von Berufswegen) und Hobbybäckerinnen waren. In Zeiten von kurzzeitigen Lieferengpässen in den Supermärkten und Restaurantschließungen waren Rezepte & Co. ein besonders spannendes Thema für mich. Ana hatte in Spanien schon an vielen Kochkursen teilgenommen, von denen sie mir stolz ein paar Fotos schickte. Ich war begeistert!

Freundschaft geht durch den Magen

Spanien ist bekannt für seine kulinarische Vielfalt. Insbesondere im Hinblick auf Süßspeisen macht ihnen da keiner etwas vor. Der wahrscheinlich bekannteste Süßwaren-Export Spaniens sind Churros con Chocolate. Anas Repertoire geht jedoch weit darüber hinaus. Als ich ihr erzählte, dass ich mich zu Ostern an meinen eigenen Torrijas versucht hatte, weil sie mich immer noch an meinen Trip nach León über die Osterfeiertage 2008 erinnerten, verriet sie mir ihr Spezialrezept. Ich kann es kaum erwarten bis Ana von ihrer nächsten Spanienreise Originalzutaten mitbringt und wir ein bisschen Spanien in Irland genießen können.

Was Ana über Irland denkt

Neben ihrer Leidenschaft für das Kochen hat Ana noch viele andere Interessen, wie ich bei unserem Austausch und dem Interview für diesen Artikel erfuhr. Ihre Antwort auf die Frage, was sie an der irischen Kultur am meisten schätzt, zeigt, dass ihre Zuneigung zu Irland weit über die bereits zuvor gelobte Gastfreundschaft der Iren hinausgeht.

„Mit seinen brillanten Schriftstellern hat Irland einen großartigen Beitrag zur Weltliteratur geleistet. Zudem spiegeln die traditionelle Musik, das Irish Dancing, die Mythen und Legenden eine vielseitige Kultur wider. Fast überall findet man Burgen oder ihre Überreste, die von einer interessanten Geschichte zeugen. Zu guter letzt gibt es da noch die jüngere Architektur mit den herrlich-bunten Türen. Es gibt hier viel zu bereisen und erkunden“, schwärmt Ana.

Zwei Herzen in meiner Brust

Ich kann Ana so gut verstehen. Einerseits sehe ich, was sie an Irland so liebt. Andererseits bin ich mir bewusst, was sie in Spanien zurückgelassen hat. Auch ich habe mich damals für Irland und gewissermaßen gegen Spanien entschieden, wenn auch unter ganz anderen Voraussetzungen und aus anderen Beweggründen als Ana.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie schwer es mir fiel meine Entscheidung rational zu rechtfertigen. Insbesondere als mich Freunde und Familie fragten, warum ich nach Irland ging, wenn ich doch meine Zeit in Spanien so genossen hatte. Bei der Recherche für diesen Artikel und durch die Korrespondenz mit Ana blicke ich nun durchaus sentimental auf Spanien zurück.

Ich schaue mir alte Fotos von meiner Zeit in Salamanca an (die von Santiago gibt es nicht digital, sondern nur in Papierform auf dem Dachboden meiner Eltern). Ich bestelle mir ein Buch über den Camino de Santiago und blättere in einem Bildband über Spanien, der im Bücherregal schon Staub angesammelt hat. Ich genieße es in meiner „spanischen“ Vergangenheit zu schwelgen und habe große Freude daran, von Ana mehr über ihren Heimatort Elche zu erfahren. Mir wird erneut bewusst, dass Spanien – neben dem guten Wetter (außer in Galizien, wo es eher wie in Irland ist) – so viel mehr zu bieten hat. Ein durchaus lebenswertes Land!

An der Spitze der Weltgeschichte

Spanien ist nach Italien das Land mit den meisten UNESCO Weltkulturerbestätten auf der Welt. Der historische Palmenhain von Elche ist eine von derzeit 42 UNESCO Attraktionen Spaniens. Zusätzlich gehören das Kulturzentrum und Schulmuseum von Pusol sowie das Mysterienspiel von Elche zum Immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO.

Das Mysterienspiel von Elche

Ein paar Tage nachdem Ana mir die Interview-Fragen beantwortet hatte, schickte sie mir eine Email. Sie enthielt weitere Informationen über das „Misteri d’ Elx“, wie es in Landessprache der autonomen Gemeinschaft von Valencia heißt. Es schien, als sollte ich dieser Veranstaltung besondere Aufmerksamkeit schenken. Als ich mir die Fotos dazu im Anhang anschaute, wurde mir klar warum.

Nicht einfach ein Theaterstück

Das Mysterienspiel von Elche ist ein musikalisches Drama über die Jungfrau Maria. Es ist das einzige, seit dem Mittelalter kontinuierlich aufgeführte Mysterienspiel der Welt. Seit fast 600 Jahren findet es in der Altstadt von Elche und der Basilika Santa Maria statt. Jährlich am 14. und 15. August kommen über 300 Freiwillige zusammen, um in irgendeiner Weise an dem Stück mitzuwirken. Ein Spektakel, was die gesamte 230.000 Einwohner Stadt Elche involviert. Mit Kerzen folgen die Menschen der Morgen- und Nachmittagsprozession, die in der Nachstellung des Begräbnisses von Maria gipfelt. Der Auferstehung folgt die Krönung Marias in der Basilika. Beide Akte werden ausschließlich gesungen, ohne instrumentale Begleitung.

„Man muss live dabei sein“

„Ich habe dir einen Video-Link zur Performance mitgeschickt“, schreibt Ana in ihrer E-mail weiter. „Aber der wird in keinster Weise dem Gefühl gerecht, live in der Kirche dabei zu sein. Wie die Stimmen der Sänger* in der Basilika widerhallen und auf dem Höhepunkt des Stückes (die Krönung Marias im Himmel) Gold herunterregnet.“ [*Anm.d.R.: Tatsächlich gibt es nur Sänger und keine weiblichen Darsteller im Misterio d’ Elx, da früher keine Frauen in der Kirche auftreten durften.]

Koffer packen und los

Es gibt so viele wunderbare Dinge auf dieser Welt, die darauf warten erkundet zu werden. Dinge, von denen ich oftmals noch nicht einmal wusste, dass sie existieren. Doch wenn ich dann einmal von ihnen gehört habe, kann ich es kaum erwarten sie mit eigenen Augen zu sehen.

Oder, um es mit Anas Worten zu sagen: „Lebe, genieße, träume und reise…und wenn du die Zeit hast, wiederhole es.“

 

(Alle Fotos zur Verfügung gestellt von Ana Navarro.)




Bekannte in der Fremde – Deutsche in Irland

Mein Mann sagt immer, dass man Deutsche in Irland schon von Weitem erkennt. Am Haarschnitt, den Wanderschuhen und den Regenjacken einer bestimmten Marke. Diese Theorie wurde neulich in einer Forumsdiskussion von Deutschen selbst bestätigt. Ein Zeichen deutscher Planungsfreude und mangelnder Spontanität?

Als ich noch im Tourismus arbeitete, beschrieb man die deutsche Zielgruppe mit „geplanter Spontanität“. Ein Widerspruch in sich, aber zu Marketingzwecken sicherlich sinnvoll.

Ich selbst bekenne mich der mangelnden Spontanität schuldig. Planen und Organisieren zählen aber auch nicht gerade zu meinen Stärken. Aber wir wissen ja wie das mit den Klischees ist. Es ist etwas Wahres dran, aber allgemein gültig sind sie eben auch nicht.

Gemeinsame Basis

Als ich Anja zum ersten Mal begegnete, fiel sie mir nicht direkt als ‘typisch deutsch’ auf. Und auch sie hat mich nicht etwa aufgrund einer farbigen Allwetterjacke als deutsch identifiziert. Vielmehr hörte sie mich in der örtlichen Stillgruppe mit unserem damals 4-Monatigen deutsch sprechen. Sie selbst war mit ihrer neugeborenen Tochter da und so kamen wir ins Gespräch.

Ich glaube es ist normal, dass man sich im Ausland automatisch mit Menschen der gleichen Nationalität zusammenfindet. Nicht etwa um sich wie zu Hause zu fühlen, sondern einfach weil es eine gemeinsame Basis darstellt. Das macht es einfacher sich in eine bestehende Gemeinschaft und eine neue Umgebung zu integrieren.

Alter Irland-Hase in der Nachbarschaft

Anja wohnte bereits seit 3 Jahren in Greystones als wir uns kennenlernten. Irland nannte sie seit 2007 mit kurzen Unterbrechungen ihr Zuhause. Es war nicht so, dass ich Anja brauchte, um neue Kontakte in Greystones zu knüpfen. Wir haben uns einfach auf Anhieb gut verstanden. Zudem verbindet es ungemein, Kleinkinder im gleichen Alter zu haben – mindestens genauso wie die gleiche Nationalität.

Zu unserer Freude stellten wir fest, dass wir direkt um die Ecke voneinander wohnten. Erstaunlich, dass wir uns vorher nicht schon einmal begegnet waren. Andererseits gingen wir – bevor wir Mütter wurden – beide unseren Berufen nach. Anja im Home Office und ich in Dublin City. Erst durch die Kinder kreuzten sich unsere Wege.

Die Delgany Ladies

Mit den Kinderwagen in Greystones unterwegs, lernten Anja und ich noch andere Mamis kennen. Schon bald waren wir ein kleines Grüppchen, das sich regelmäßig zum Lunch traf. (Ein Dankeschön an das Beach House, das uns jeden Donnerstag wie VIPs behandelte, als wir mit unseren krabbelnden Babies die gemütlichen Sofastühle okkupierten!)

Von da an nannte mein Mann uns „Die Delgany Ladies“ (wir wohnen zwischen Greystones und Delgany). Dabei stellte er sich uns als elegante 1920er Damen mit vornehmen Hüten und eleganten Sonnenschirmen vor. In seinem Kopf hatte er ein Bild, wir uns zum Picknick an der Strandpromenade trafen, während unsere Kleinen brav neben uns im Sand spielten. Auch Anja’s Mann David verpasste uns zwei mehr oder weniger treffende Spitznamen: „Die Ladies, die lunchen” und „Die Lecker-Lecker-Freundinnen”.

In Wirklichkeit konnten wir oftmals nicht einmal schnell genug unser Mittagessen hinunterschlingen, bevor sich jeder wieder seinem kleinen Wirbelwind widmen musste. Nichts desto trotz lässt sich nicht leugnen, dass wir eine schöne Zeit zusammen hatten. Als für viele Mamis die Elternzeit vorbei war und sie in ihre Jobs zurückkehrten, blieben Anja und ich als einige der wenigen Vollzeitmamis aus unserer Gruppe zu Hause. Ich glaube das hat uns noch einmal mehr zusammengeschweißt.

Gegensätze ziehen sich an

Drei Jahre später sind Anja und ich immer noch „hauptberuflich” Mamas. Unser Großer und Anjas inzwischen fast 3-jährige Tochter sind beste Freunde. Ich wage es zu bezweifeln, dass Anja und ich uns ohne die Kinder kennengelernt hätten. Unsere Interessen sind doch recht verschieden. Zwar sind wir beide gern in der irischen Natur unterwegs, ansonsten ist Anja eher im musischen Bereich anzutreffen.

Als Alt-Stimme der Bray Choral Society, liebt Anja (klassische) Musik und ihr Traum ist es irgendwann richtig Klavier spielen zu lernen. Wie sollte es als Bücher-Übersetzerin anders sein, ist Anja ein Fan der Literatur und Sprachen im Allgemeinen. Letzteres haben wir dann wieder gemeinsam.

Wie Ost und West

Dass wir uns in Deutschland über den Weg gelaufen wären, ist auch eher unwahrscheinlich, was überwiegend geographische und ein Stück weit historische Gründe hat. Anja stammt aus dem westlichen Teil Deutschlands und ich bin am ganz anderen Ende, im Osten, groß geworden. Dazwischen liegen über 500 km. Noch vor 30 Jahren gab es zudem eine unüberwindbare Mauer, die die innerdeutsche Grenze markierte. Wir sind wahrscheinlich die erste Generation, für die der Ost-West-Konflikt keine große Rolle mehr spielt. Denn lange nach dem Fall der Berliner Mauer 1989, schwelte die deutsch-deutsche Teilung noch in den Köpfen der Alt- und Neu-Bundesbürger. Ein Thema, worauf ich in diesem Artikel nicht näher eingehen möchte.

Größter, Höchster & Zirkuselefant

Als Anja die Region aus der sie kommt beschreibt, hört sich das fast so an wie das County Wicklow, in dem wir beide jetzt wohnen: Bewaldete Hügel, saftig grüne Wiesen, durchzogen von kleinen Flüssen, hier und da ein Gehöft. „Das Bergische Land ist ein wunderschöner Landstrich zwischen dem einst industriellen Ruhrgebiet und den höheren Lagen des Sauerlands“, schwärmt sie. „Trotz seiner bergigen Oberfläche ist der Name nicht geographischen Ursprungs, wie man vermuten könnte, sondern ist den Grafen von Berg zuzuschreiben, die die Region im Mittelalter regierten”, klärt mich Anja auf.

Hier, in der ca. 35,000 Einwohner großen Stadt Wermelskirchen, nicht weit von Köln entfernt, ist Anja geboren und aufgewachsen. Neben der Metropole am Rhein mit dem markanten Kölner Dom, scheint die Region jedoch weitaus mehr zu bieten zu haben. Und was wäre Deutschland ohne Rekorde „das größte“, „das älteste“, „das berühmteste“…?

Wie wäre es zum Beispiel mit einem Besuch der ältesten Trinkwassertalsperre Deutschlands? Oder der höchsten Eisenbahnbrücke, der Müngstener Brücke, die sich über das wunderschöne Wupper-Tal spannt? Mit ihrer gitterartigen Stahlkonstruktion erinnert sie an den Pariser Eifelturm. Eine Attraktion, die ihresgleichen sucht, ist die älteste Schwebebahn der Welt. Mit ihrem unter den Schienen hängenden Zug müsste man sie eigentlich als „Hängebahn“ bezeichnen. Kurioser ist da nur noch der Zirkuselefant Tuffi, der 1950 aus der Schwebebahn in die Wupper sprang. Während man heute noch mit der Bahn fahren kann, ist der Zirkuselefant allerdings längst „über die Wupper“ gegangen.

Das herzförmige“ Wuppertal

Der Besuch einer mittelalterlichen Burg gehört in Deutschland zum Pflichtprogramm. Auf dem Schloss mit dem ganz treffenden Namen „Burg“ lässt sich Historisches ideal mit Kulinarischem verbinden. Es ist berühmt für seine Bergische Kaffeetafel, bei der man mit Herzwaffeln und Kaffee aus der antiken Dröppelminna, einer Kaffeekanne aus Zinn, verköstigt wird.

Kein Wunder, dass sich Anja und David diesen Ort für ihre deutsch-irische Hochzeit ausgesucht haben. Zwar nicht das Schloss selbst, aber das landschaftlich reizvolle Tal der Wupper. Ich bin mir sicher, dass auch da etwas “Herzförmiges” mit von der Partie war.

Irische Männer sind unwiderstehlich

Ähnlich wie bei meiner Geschichte mit meinem Mann John, war auch Anjas und Davids Kennenlernen eine glückliche Fügung. Nach einem anderthalbjährigen Aufenthalt mit einer Freundin in Irland, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, verließ Anja 2009 die Insel wieder. Ursprünglich hatte sie nur für 1 Jahr bleiben wollen. Es war Zeit zu ihrer Familie nach Deutschland zurückzukehren und sich ins Berufsleben als Buch-Übersetzerin zu stürzen.

Aber Irland war nicht bereit Anja gehen zu lassen und hatte David als Ass im Ärmel. Beide verliebten sich ineinander nachdem sie sich einige Zeit lang geschrieben hatten. Nach ihrem ersten persönlichen Treffen auf neutralem Boden in Dänemark, war Anja regelmäßig zu Gast bei David auf der Grünen Insel. Ihre berufliche Selbstständigkeit erleichterte ihr das „Jet-Setter-Leben“. 2014 zogen Anja und David gemeinsam aus dem Apartment in Dublin City nach Greystones. Und der Rest ist Geschichte.

Unüberwindbare Hürde

Aufgrund ihrer hervorragenden Sprachkenntnisse und der allmählichen Eingewöhnung in den irischen Alltag, blieb der große Kulturschock bei Anja aus, als es dann für immer nach Irland ging. Letztendlich unterscheiden sich die deutsche und die irische Kultur im Wesentlichen nicht allzu sehr voneinander. Doch eine Hürde blieb – das Lesen des irischen Busfahrplanes.

Ich muss Anja Recht geben. Es macht wenig Sinn an einer Haltestelle die Zeiten anzugeben, an denen der Bus den allerersten Stop der Route verlässt. Schließlich möchte man wissen, wann der Bus an der entsprechenden Haltestelle abfährt und nicht erst ein Rechenexempel starten, wann er denn wohl da ankommt. Allerdings lässt sich damit auch gut Wartezeit totschlagen. Oder es gibt einem Anlass die „Touristenkarte“ zu spielen und direkt einen Einheimischen ins Gespräch zu verwickeln.

„Freunde kommen von ganz allein“

Auf die Frage wie es war in Irland Kontakte zu knüpfen antwortet Anja: „Im Grunde war es leichter als erwartet. Meine ersten Freunde waren zwar, wie ich, Ausländer(innen), die ihrerseits Anschluss suchten, doch irische Freunde und Bekannte kamen nach und nach hinzu. Meine erste irische Freundin lernte ich im Chor des Trinity College kennen.“

„Die irische Mentalität ist herzlich und gesellig, sodass man sich eigentlich nie ausgeschlossen fühlt“, erzählt sie weiter. „Zudem sind die Iren eine klassische Auswanderer-Nation und sind anderen Nationalitäten gegenüber demzufolge recht aufgeschlossen. Meiner Erfahrung nach werden die Deutschen hier recht positiv wahrgenommen. So haben sich viele Freundschaften für mich von ganz allein ergeben, man muss sich nur darauf einlassen.“ So wie an der Bushaltestelle zum Beispiel, wenn man gemeinsam die Ankunftszeit des Busses ausknobelt.

„Spannemann“ für Krabbelgruppen & Co.

Rückblickend kann ich bestätigen was Anja über das Freunde finden sagt. Allerdings fand ich es am Anfang schwer Anschluss zu den Iren zu finden. Nach der Arbeit gingen sie nach Hause zu ihren Familien oder unternahmen etwas mit ihrem eigenen Freundeskreis. Für mich brauchte es einen “Türöffner”, der schon über irische Kontakte verfügte und das war mein Mann John. Wenn man Kinder hat, trifft man ganz schnell neue Leute. Da werden bestehende Strukturen wie das Arbeitsumfeld aufgebrochen und die Karten noch einmal neu gemischt. Das hilft ungemein. Dennoch bin ich froh mit Anja einen “Spannemann” gefunden zu haben. Denn auch zu Krabbelgruppen & Co. gehe ich lieber in Gesellschaft. Gemeinsam haben wir dort unseren Bekanntenkreis erweitert.

„Sei glücklich oder ändere etwas“

Ich schätze mich glücklich Anja als Freundin zu haben. Zum einen natürlich, weil ich gern Zeit mit ihr verbringe. Zum anderen ist sie immer optimistisch und gut gelaunt. Es tut mir gut einen so positiven Menschen in meinem Leben zu haben. Passenderweise lautet ihr Lebensmotto: “Sei glücklich. Wenn du nicht glücklich bist, dann ändere was.

Es sieht so aus als müsste Anja in ihrem Leben nichts ändern. Als ich sie frage, was sie an Deutschland vermisst (abgesehen von Familie und Freunden), nennt sie nur ein paar unwesentliche Dinge wie Eisdielen und einen Drogeriemarkt, ohne die sie aber getrost leben kann. Demnach hat Anja nicht den Wunsch wieder nach Deutschland zurückzugehen. Sie fühlt sich in Irland inzwischen viel mehr zu Hause. Das soll mir nur Recht sein.

 




Bekannte in der Fremde – Wir sind Greystones

“Bekannte in der Fremde” ist mein erster Gehversuch in der Welt des Journalismus. In meinem Blog drehte es sich bislang um meine Person und mein Leben als deutsche Auswanderer-Mami in Irland. Kürzlich versuchte ich mich zudem an zwei Fotoprojekten rundum Bäume und verlassene Orte. Neben dem Schreiben zwei weitere Interessen von mir. In diesem und den folgenden Blog-Posts soll es nun um Menschen und ihre Geschichte gehen.

Die ‘Blow-Ins’ (= Die ‘Hineingeschneiten’)

Genau genommen geht es um Menschen, die ebenso wie ich aus einem anderen Land nach Irland, und insbesondere in meinen Wohnort Greystones gekommen sind. Warum gerade Irland und aus welchen Beweggründen haben sie ihr Heimatland verlassen? Ein Thema, was mich schon immer interessiert hat und das ich nun zum Gegenstand einer kleinen Blog-Serie unter dem Namen “Bekannte in der Fremde” machen möchte. Ich konnte dafür “Greystonians” aus unterschiedlichen Ländern gewinnen und freue mich sehr ihre Geschichte erzählen zu dürfen.

Außer dass wir alle “Bekannte in der Fremde” sind, haben wir einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt: unsere Familie. Zumindest haben wir uns (fast alle) über die Kinder kennengelernt und das allein verbindet. Es ist nicht verwunderlich, dass wir uns im familienfreundlichen Greystones gefunden haben. Einem attraktiven Küstenstädtchen im County Wicklow, reichlich eine halbe Autostunde südlich von Dublin gelegen.

Ein paar Worte zu Greystones

Bevor wir Ende 2016 nach Greystones zogen, war ich genau zweimal vorher als Besucher in dem Örtchen am Meer gewesen. Beide Male war ich den Küstenwanderweg vom Nachbarort Bray bis nach Greystones gelaufen. Auf halber Strecke, vom Bray Summit aus, hat man einen herrlichen Blick über die Dublin-Bucht. Beide Orte sind gut  mit der DART, dem irischen Pendlerzug, von Dublin aus zu erreichen. Das habe ich mir bei meinen Dublin-Aufenthalten oft zu Nutze gemacht, um der geschäftigen Hauptstadt kurz für einen Spaziergang an einem der umliegenden Strände zu entfliehen.

Die Haupt-(Straßen) Attraktion

Das einzige woran ich mich in Greystones so richtig erinnern konnte, war das Gastro Pub Burnaby auf der Hauptstraße. Auf dem Freisitz hatte ich damals einen kühlen Cider nach der Wanderung auf dem Küstenweg genossen. Damit war ich in bester Gesellschaft, denn viele nutzten den Cliff Walk oder Greystones als Wochenendausflugsziel.

Obwohl Greystones etliche Restaurants und für jeden Geschmack etwas zu bieten hat, reihen sich die meisten Besucher in der stets langen Warteschlange vor dem Happy Pear ein. Da gibt es nicht nur gesundes Essen, sondern die Besitzer selbst haben mit ihren vegetarischen Gerichten und Kochbüchern (inter-)nationale Berühmtheit erlangt.

Neben den kulinarischen Highlights ist der Strand die Hauptattraktion von Greystones. Während es in der windgeschützten Bucht ‘The Cove’ dank zahlreicher Sonnenanbeter und Schwimmer oft eng wird, ist am grobkörnigen Strand von Greystones genug Platz für alle. Der ehemals verschlafene Fischerhafen hat sich inzwischen zu einer modernen Marina mit exklusiven Immobilien gewandelt. Mondän zum Flanieren, zum Wohnen ein bisschen zu viel Beton in meinen Augen (wortwörtlich!).

Wohnen wo andere Urlaub machen

…sagt mein Mann John jedes Mal, wenn wir in Greystones unterwegs sind. Mehr ist dem eigentlich nicht hinzuzufügen. Wir haben das Meer auf der einen und die Berge auf der anderen Seite. Den 501 m hohen Berg The Great Sugar Loaf können wir fußläufig erreichen. Mit dem Wicklow Mountain Nationalpark haben wir eines von Irlands Wanderparadiesen direkt vor der Haustür.

Unsere Umgebung bietet genau das, was Deutsche wohl als ‘typisch irisch’ bezeichnen würden: Küste, malerische Hügel und Seen, ein paar Schafe hier und da, sowie tiefgrüne Wälder. Während das allein schon Grund genug ist nach Greystones zu ziehen, gibt es zudem viele Angebote und Aktivitäten für Kinder. Neben Wander- und Naturparadies also auch eins für Familien.

Kleinstadt – Multikulti

Wer sind nun also diese Menschen, die in Greystones leben und um die es in “Bekannte in der Fremde” gehen soll? Es sind Menschen, denen man häufig im Ort begegnet. Zumeist haben sie Zeit für ein kleines Schwätzchen oder rufen zumindest ein freundliches “How are ya?” über die Straße. Sie nehmen am gesellschaftlichen Leben teil und bringen sich ein, wo sie können. Ich denke, ich kann Greystones getrost als “multikulti” bezeichnen. Und das ganz ohne die Anonymität einer Großstadt. Stattdessen kennt man sich untereinander. Das vermittelt ein großartiges Zusammengehörigkeitsgefühl, was mich hier besonders heimisch fühlen lässt.

Zuhause ist da wo das Herz ist

Bevor jede einzelne “Bekannte in der Fremde” in einem Blog-Artikel “Rede und Antwort” steht, noch ein paar Worte über mich. Das meiste findet sich allerdings schon in den Geschichten auf meinem Blog oder unter der Rubrik Über mich. Als ich 2008 das erste Mal Fuß auf irischen Boden setzte, wusste ich noch nicht, dass ich hier einmal dauerhaft landen würde. Viel ist passiert, bevor ich im Januar 2014 den Schritt des Auswanderns wagte. Nun kann ich mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass ich die Insel nicht wieder verlassen werde (außer um Familie & Freunde zu besuchen und zum Reisen natürlich).

Das Schicksal, oder wer da auch immer seine Finger im Spiel hatte, hat es gut mit mir gemeint und mir in Irland den Weg geebnet. Ich hatte einzig und allein auf mein Bauchgefühl vertraut und war, entgegen jeglicher Vernunft, nach Irland gegangen. Der Rest ergab sich ganz wie von selbst. Das soll nicht heißen, dass es immer einfach war. Aber die Steine, die mir in den Weg gelegt wurden, konnte ich mühelos beseitigen. Es sollte wohl so sein.

Warum Irland?

Diese Frage habe ich bereits in einem Blogartikel unter dem selben Titel beantwortet (als Gastbloggerin bei Die Blaue Banane). Während es darin um meine anfängliche Motivation des Auswanderns ging, gibt es inzwischen für mich noch viel mehr Gründe in Irland zu bleiben: Meinen liebevollen irischen Ehemann John, zwei halb-irische Kinder (für John sind sie 100% irisch) und unser Traumhaus im Co. Wicklow.

Beruf vs. Berufung

Dass ich bereits in Deutschland für den irischen Tourismus tätig war, half natürlich ungemein bei der Jobfindung in Irland. Als ich vor 6 1/2 Jahren auf die Insel zog, hatte ich einen festen Arbeitsvertrag bei einer großen irischen Incoming-Agentur in der Tasche. Wenige Monate später bekam ich ein noch besseres Angebot und wechselte zu einer kleineren Firma.

Nach der Geburt unseres ersten Kindes wurde mir schnell klar, dass ich nicht wieder in meinen alten Job zurückkehren wollte. Genau genommen kann ich mir bis jetzt keine andere Tätigkeit vorstellen als Vollzeit-Mama zu sein. Seit über 3 Jahren bestreiten wir nun schon unseren Alltag als eine Home-Office-Familie. Gelegentlich übernehme ich kleinere Projekte für meine ehemalige Arbeitgeberin in Deutschland.

Emotionaler Rückblick

Die Entscheidung nach Irland auszuwandern habe ich ganz bewusst getroffen, weil ich mich als Studentin während eines 6-monatigen Praktikums in die Insel verliebt hatte. Ich wollte also nicht zwangsläufig weg aus meiner Heimat, sondern einfach nur in Irland leben. Es war kein Umzug der Liebe wegen (abgesehen von der Liebe zu Irland) und nicht aus beruflichen Gründen. Zu diesem Zeitpunkt war ich so ungebunden wie nie zuvor in meinem Leben. Das hat sicherlich alles dazu beigetragen, dass ich mich hier so gut eingelebt habe.

Denn egal was mich erwartete, ich war “aus freien Stücken” nach Irland gekommen. Mein Aufenthalt war an keinerlei Bedingungen gekoppelt und ich stand dem Ganzen offen gegenüber. Nichts desto trotz war auch für mich aller Anfang schwer. Oder besser gesagt schwergängig, vor allem was das Kontakte knüpfen anbelangte. Der innere Schweinehund, den es zu überwinden galt, war leider nicht in Deutschland geblieben.

Fragen beantwortet

Wenn man über das Auswandern nachdenkt, hat man oft viele Fragen im Kopf. Ich hoffe mit meiner Serie “Bekannte in der Fremde” einige davon beantworten zu können. Schlichtweg indem Menschen mit einer ähnlichen (Auswanderer-)Geschichte ihre Erfahrung teilen.

Zum anderen ist es eine tolle Gelegenheit für Leute aus Greystones ihre Mitmenschen besser kennenzulernen und einem vielleicht schon bekannten Gesicht eine Geschichte zuzuordnen.

Zu guter letzt finde ich es schön, dass meine Familie und Freunde in Deutschland erfahren, wer hier Teil meines alltäglichen Lebens ist und mir in der Ferne ans Herz gewachsen ist.

Was mich angeht, habe ich bereits zuvor ein paar typische Auswandererfragen beantwortet. Ob ich noch einmal nach Irland auswandern würde, steht ebenfalls auf meinem Irland-Blog.

Coming Soon

Dann bleibt zu meiner Person eigentlich nichts weiter zu sagen und wir können uns direkt meiner Landsmännin und Freundin Anja als erste “Bekannte in der Fremde” widmen. Als wir uns das erste Mal begegneten, machten wir eine freudige Feststellung, die uns das Kennenlernen sogar noch erleichterte. Mehr dazu und zu Anjas Geschichte im nächsten Artikel!

Wenn du selber in Greystones lebst, ursprünglich aus einem anderen Land kommst und gern bei “Bekannte in der Fremde” mitmachen möchtest, dann schreib mir eine Nachricht oder hinterlasse einen Kommentar unter dem Artikel. Ebenso bei individuellen Fragen rund ums Auswandern, das Reisen in Irland oder dem Alltag als (Vollzeit-) Mami. Auch Kritik oder das Ergänzen eigener Erfahrungen sind willkommen.

Viel Spaß beim Lesen von “Bekannte in der Fremde”. Coming soon!




In Wicklow angekommen

Unser erster Sommer im eigenen Haus neigt sich dem Ende und voller Vorfreude sehen wir gemütlichen Herbstabenden am Kamin entgegen. Dennoch trauere ich dem entschwindenden Sommer ein wenig nach, der wie ich finde  – für einen irischen – ausgzeichnet war. Zugegeben sind die Kriterien dafür hier ein wenig anders, aber immerhin kamen kurze Hosen, ein aufblasbarer Swimming Pool im Garten und Sonnencreme darin vor.

Beflügelt vom guten Wetter haben wir enthusiastisch unseren neuen Wohnort nebst Umgebung erkundet und waren wir recht viel unterwegs, im County Wicklow. Dabei haben wir ein paar echte „Perlen“ entdeckt.

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