Typisch irisch
Man kennt, belächelt oder verteufelt sie – Klischees. Doch wieviel ist dran an Klischees und Stereotypen, die oft einer ganzen Nation angeheftet werden und nur selten wieder loszukriegen sind? Ein umfangreiches Thema mit dem ich mich sicherlich nicht das letzte Mal beschäftigen werde. Hier zunächst einige persönliche Anekdoten zu den der bekanntesten irischen Klischees.
Wissenslücken mit Klischees füllen
Bevor ich 2008 das erste Mal für ein 6-monatiges Praktikum nach Irland ging, wollte ich mich im Voraus ein wenig über Land & Leute informieren. Irland war bis dato ein weiβer (oder wohl eher grüner) Fleck auf der Landkarte für mich gewesen. Ich wusste dass man dort u.a. Englisch sprach – das reichte mir für die Entscheidung mein Auslandssemester dort zu verbringen. Wenn so man gar nichts über ein Land weiβ, sind Klischees irgendwie ein amüsanter Einstieg. Irland – ah die Insel, wo alle rote Haare haben und es mehr Schafe als Menschen gibt.
Humor ist wenn man trotzdem lacht
Dann ging alles so schnell, dass mir gar nicht viel Zeit für eine angemessene Vorbereitung auf mein bevorstehendes Abenteuer in Irland blieb. Auf dem 2-stündigen Flug ins Ungewisse, von groβer Aufregung geplagt, lenkte ich mit dem Buch “Gebrauchsanweisung für Irland” von Ralf Sotschek ab. Vor kurzem und nachdem ich nun seit 5 Jahren in Irland lebe, habe ich es noch einmal gelesen. Heute kann ich über vieles schmunzeln. Damals verursachten einige “irische Eigenarten” (Klischees?) eher ein mulmiges Gefühl.
#1: Irische Gelassenheit
Eines davon war die “Mañana-Mentalität”, die Ralf Sotschek in seinem Buch beschreibt. Ich war gerade von einem Auslandsaufenthalt aus Spanien zurückgekommen und war dort eigentlich ganz gut mit dieser Lebensart klargekommen. In Irland wurde sie mir in meinen ersten Wochen zum Verhängnis.
Holpriger Start
Nach über 1 Woche im Hostel – meine Arbeit bei einem Reiseveranstalter hatte bereits begonnen – war mir der schon mehrmals versprochene Schlüssel für mein angemietetes Apartment immer noch nicht ausgehändigt worden. Zu den vereinbarten Übergabeterminen, die für mich jedes Mal mit allerlei Strapazen verbunden waren, war niemand erschienen. Nach mehreren Anläufen, einer unseriösen Ausquartierung in ein Ersatzapartment und ein paar Tagen “Unterschlupf” bei einem Fremden im Nachbarhaus meines zukünftigen Apartments konnte ich endlich einziehen.
Irische Gelassenheit oder doch eher Unzuverlässigkeit?
Es hat lange gedauert bis ich über diese Geschichte schmunzeln konnte. Aber ich muss dazu sagen, dass ich so einen Fall von “irischer Unzuverlässigkeit” nie wieder erlebt habe. Deshalb möchte ich die irische Gelassenheit keinesfalls verteufeln oder gar als Unzuverlässigkeit verallgemeinern. Ich sehe sie immer noch als etwas durchaus positives. Nur manchmal, wenn der Klempner mal wieder 2h später als vereinbart erscheint. Oder einfach gar nicht kommt ohne anzurufen. Dann verfluche ich die irische Gelassenheit. Vielleicht nenne ich sie dann manchmal auch “irische Unzuverlässigkeit”. Ganz selten. Und nur ganz kurz. Auch auch nur ganz leise in mich hinein murmelnd.
#2: Irische Geselligkeit
Einher mit der Gelassenheit geht oft auch die irische Geselligkeit. Das gemütliche Zusammensitzen im Pub, das miteinander Musizieren bei jeder Gelegenheit und die Bereitschaft gemeinsam mit Kollegen “nur einen” trinken zu gehen (wobei ich den Stereotyp des trinkenden Iren hier gern auβenvor lassen möchte).
Perfekt für Alleinreisende
Reist man durch Irland, bleibt man nicht lange allein. Schnell wird man in ein freundliches Gespräch verwickelt. Ehrlichgemeintes Interesse lässt beim irischen Gegenüber nicht lange auf sich warten. Irland ist das einzige Land, in das ich alleine gereist bin und mich nie einsam gefühlt habe.
Urlaubsbekanntschaft vs. Langjährige Freundschaft
Doch wie sieht es aus, wenn man seinen Lebensmittelpunkt nach Irland verlagert? Lässt sich ebenso schnell ein Bekanntenkreis aufbauen, der einem auf Dauer erhalten bleibt? Das kann ich persönlich leider nicht bestätigen.
Als ich 2014 nach Irland auswanderte, waren es vor allem die ebenfalls Zugereisten auf meiner Arbeit, die sich um mich bemühten. Dank eines internationalen Teams konnte ich sehr schnell Kontakte knüpfen. Der “irische Anschluss” blieb zunächst aus. Selbst als wir uns unter das (irische) Volk mischten, war mehr als eine unverbindliche Unterhaltung mit Einheimischen oft nicht drin. Ich fühlte mich nicht aktiv ausgegrenzt, aber auch weit entfernt von integriert.
Die Liebe als Türöffner
Mein jetztiger Mann und ich kamen zufällig ins Gespräch, als wir in Dublin im selben Haus wohnten. Zwar ist er Ire, lebte aber lange Zeit in Amerika und war selbst kurz vorher erst wieder nach Irland zurückgekehrt. Er konnte mein Problem daher sehr gut nachvollziehen und gemeinsam (re-)integrierten wir uns beide erfolgreich. Die Anzahl unserer irischen Freunde ist nach wie vor eher begrenzt. Heute jedoch gewollt – Qualität über Quantität wie man so schön sagt.
#3 Der rothaarige Ire
Mindestens so weit verbreitet wie die Schafe in Irland ist das Klischee des “rothaarigen Iren”. Ein Ir(r)glaube? So viele rothaarige Iren wie man vielleicht denkt, gibt es auf der Insel nicht. Nur 10% der Iren sind Rotschöpfe. Betrachtet man jedoch den weltweiten Anteil mit 1-2% und den europäischen mit ca. 4%, ist es schon eine beachtliche Zahl (Quelle: irlandnews.com).
Klischee erfüllt
Meine “Dublin-Mädels”, mit denen ich vor 10 Jahren mein Praktikum in Irland verbrachte, sagten damals schon, dass ich mal einen rothaarigen Iren heiraten würde. Offensichtlich bedienten sie sich da eines Klischees – zumindest was die Haarfarbe meines Zukünftigen anging. Wer konnte ahnen, dass sie damit gar nicht soweit daneben liegen würden. Zwar heiratete ich einen dunkelharigen Iren, aber die Gene zur “erdbeerblonden” Haarfarbe setzen sich letztendlich in unserem Sohn durch. Immerhin tragen mehr als 30% der Iren die rezessiven Erbanlagen dafür in sich. So auch mein Mann.