Im Moment bin ich glücklich

23/01/2018
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Gerade eben bin ich von einem Spaziergang zurück, bei herrlichem Sonnenschein und fast 13 Grad. Und das erste Mal roch die Luft anders, so als stünde der Frühling vor der Tür. Wenn es doch nur schon Frühling wäre, dachte ich, dann fängt endlich wieder alles an zu blühen und es riecht immer so frisch.

Einen ähnlichen Gedanken hatte ich, als ich im Dezember durch unseren Ort lief und das erste Mal die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet war: Endlich ist es soweit – so lange habe ich mich schon auf die Adventszeit gefreut, in der wir es uns vorm Kamin gemütlich machen können. Aber bald wird dann auch der deprimierende Januar ran sein, schoss mir gleich als nächstes durch den Kopf.

Vergangenes Wochenende waren wir in sämtlichen Baumärkten und Innenausstattern unterwegs – die Renovierung unseres Wohnzimmers steht an. Wir haben uns Wandfarben ausgesucht, eine Vorauswahl der dazu passenden Vorhänge getroffen und im Kopf Möbel gerückt. Seither juckt es mir in den Fingern und ich möchte am liebsten sofort loslegen. Plötzlich sehe ich in nur noch die verblasste Farbe an der Wand und die Ecken, die ausgebessert werden müssen. Dabei ist es doch immer noch das gleiche, gemütliche Wohnzimmer.

Unser kleiner “Sonnenschein” ist inzwischen 8 Monate und verändert sich jeden Tag. Die ersten Zähnchen gucken und er brabbelt munter vor sich hin. Oft ertappe ich mich dabei, wie ich stolz jemandem erzähle, dass er nun schon “Da-da” für Daddy sagt, oder ich mich erkundige, wie viele Zähne ein gleichaltriges Baby denn hat. Und sollte er nicht jetzt auch schon richtig krabbeln können? Die Zeit mit ihm vergeht so schon wie im Flug, warum wünsche ich mir also, dass alles noch schneller geht?

Auf neudeutsch heiβt es Mindfulness

Alle diese Beispiele haben eines gemeinsam: sie befördern mich gedanklich aus der Gegenwart in die Zukunft. Mir fällt es unheimlich schwer, einfach mal im Moment zu sein und das zu genieβen, was ich habe. Selbst wenn alles nahezu perfekt ist (wenn man mal von einem unrenovierten Wohnzimmer absieht), bin ich manchmal grummelig oder ungeduldig, weil mir ein mögliches Szenario in der Zukunft die Laune vermiest oder ich etwas nicht erwarten kann.

Oft habe ich schon darüber nachgedacht, mal einen Mindfulness-Kurs zu besuchen. Dabei ist das Konzept, seinen Fokus bewusst auf den Augenblick zu richten, simpel – lediglich für mich nicht einfach umzusetzen. Bei unangenehmen Haushaltsarbeiten muss eben immer eine mehr oder weniger stumpfsinnige Fernsehsendung laufen, als dass ich mich auf das Hier & Jetzt konzentriere. Wobei es beim Wäsche zusammenlegen ja noch verständlich ist, dass man sich in eine andere (Gedanken-)Welt wünscht…

Ich komme daher zu der Erkenntnis, dass ich nicht gern mit meinen Gedanken alleine bin. Oder bin ich es einfach nicht mehr gewohnt? Habe ich mal 5 Minuten Leerlauf, wird gleich das Handy gezückt. Nicht dass ich denke, es hat sich seit dem letzten Mal soviel getan, dass ich etwas verpassen könnte. Nein, ich hoffe darauf – irgend etwas wird mich schon “unterhalten”. Dabei weiβ ich schon vorher, dass nichts auf Facebook & Co. so wichtig ist wie das echte Leben.

Verspätete Neujahrsvorsätze

Wenn ich das nächste Mal in der Wintersonne spazieren gehe, die Bäume noch kahl sind und es nach Frühling riecht, werde ich mich daran erfreuen und mir nicht den Frühling herbeiwünschen. Und im Frühling dann nicht den Sommer, im Herbst nicht Weihnachten usw.

Anstelle mir ein langersehntes Ereignis bereits mit Gedanken daran zu vermiesen, dass es bald vorbei sein wird, werde ich versuchen jeden Moment bis dahin zu genieβen und mir ein kleines Highlight für danach zu setzen. Positives Denken kann nicht schaden :-).

Eine meiner gröβeren “Baustellen”, an der ich arbeiten möchte, ist es mich darauf zu besinnen, was ich habe und nicht ständig nur das zu sehen, was gerade fehlt oder besser sein könnte. Leichter gesagt als getan, aber es wären ja keine Neujahrsvorsätze, wenn sie einfach umzusetzen wären.

Kein Problem wird es hingegen für mich sein, jeden Moment mit unserem kleinen Sohn zu genieβen, ohne ständig zu bewerten, was er in seinem Alter jetzt eigentlich schon können sollte oder nicht. Manchmal lasse ich mich da wohl von Gesprächen mit anderen Müttern etwas verrückt machen. Aber er ist perfekt so wie er ist und ich werde jede Veränderung an ihm, wann immer sie kommt und wie lange sie auch dauert, ganz bewusst genieβen.

Und einen Vorsatz kann ich direkt von der Liste streichen – nämlich diesen Artikel so schnell wie möglich online zu stellen, um meine Neujahrsvorsätze offiziell zu machen und sie nicht länger ignorieren zu können.

 

 

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