Zorro kommt aus Wexford

12/11/2018
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Ein etwas anderer Reisebericht

Wexford ist eine hübsche, für irische Verhältnisse mittelgroβe, Stadt im Südosten Irlands. Obwohl sie etwa dreimal so weit weg von uns ist wie Dublin, macht es zeitmäβig keinen Unterschied, wohin wir unseren Sonntagsausflug unternehmen. Daher entscheiden wir uns oft für den verkehrsärmeren Süden als gen Norden in die überfüllte Hauptstadt zu fahren.

Nach Wexford haben mein Mann und ich ganz “frisch veliebt” unseren ersten Ausflug im Zug unternommen. In Wexford kauften meine Schwester und ich die ersten Babysachen für unseren Kleinen. Mit Wexford assoziiere ich daher so einiges. Zorro, der Mann mit Maske, gehörte bislang nicht dazu. Das ist jetzt anders, aber dazu später mehr.

Wexford ist eben nicht Dublin

An einem Sonntag bei wunderschönem Herbstwetter fuhren wir also mal wieder ganz spontan nach Wexford. Wir wollten ein wenig durch die nette kleine Fuβgängerzone bummeln. Dort gibt es allerlei hübsche Läden, in denen man ohne groβes Gedränge einkaufen kann. Zwischendurch in aller Ruhe ein Käffchen trinken, darauf freuten wir uns.

Eben noch das überfüllte Dublin verteufelt, stellten wir bei unserer Ankunft in Wexford fest, dass die Läden an einem Sonntag hier nicht geöffnet hatten. Für Irland ist das eher ungewöhnlich und uns war nicht einmal in den Sinn gekommen, dass das der Fall sein könnte. Die Einkaufsmeile war wie leergefegt und wir konnten lediglich unsere “Kaffeepause” an der Uferpromenade in die Tat umsetzen.

Unser Aufenthalt in Wexford fiel demnach etwas kürzer aus als gedacht. Wir beschlossen stattdessen an der Küstenstraβe entlang zu fahren und uns ein Restaurant mit Aussicht zu suchen. Ich sah uns gedanklich schon auf einer Terrasse unter bunten Sonnenschirmen und mit Blick auf das glitzernde Meer sitzen. Unser ausgeschlafenes Baby ganz brav im Hochstühlchen und “Mama” entspannt mit einem Glas Wein daneben.

Unterwegs durch’s County Wexford

Die Fahrt an der Küste entlang war vielversprechend. Nach wie vor bei strahlendem Sonnenschein hatten wir einen herrlichen Blick auf das Meer zur Rechten und saftig grüne Landschaft zur Linken. Soverän manövrierte uns mein Mann über die immer schmaler werdenden “country roads” während unser Kleiner auf dem Rücksitz und ich vorn vor uns hindösten. Immer mal wieder  tauchten Häuser mit riesigen Grundstücken in der sonst vergleichsweise dünn besiedelten Gegend auf. Lange, blumengesäumte Auffahrten lieβen nur erahnen, welch groβzügiger Landsitz sich wahrscheinlich dahinter verbarg. Ganz anders als bei den effizient gebauten Reihenhaussiedlungen im Ballungsraum Dublin, spielte Platz hier keine Rolle.

Der Beginn einer langen Reise

Mein Tagtraum wurde von meinem Mann unterbrochen. Allmählich sollten wir nach etwas “Pubähnlichem” Ausschau halten, meinte er. Wir waren zuversichtlich, dass sich bald etwas nach unserem Geschmack auftun würde. Immerhin waren wir in einer beliebten Urlaubsgegend und die Saison war noch nicht vorbei. Wir waren gerade durch Curracloe gefahren, wo sich einer der schönsten Strände der Region befindet. Als wir dort und auch im nächsten Ort Blackwater, den mein Mann als beliebtes Tagesziel aus früheren Urlauben in Erinnerung hatte, nichts fanden, schalteten wir das Navi ein. Die gute alte Straβenkarte musste für einen Moment weichen, denn sie half uns nicht dabei dem Knurren unserer Mägen ein Ende zu setzen.

Doch auch der Google-Truck schien länger schon nicht in der Gegend unterwegs gewesen zu sein. Nach zwei möglichen Stopps, die trotz gegenteiliger Aussage geschlossen waren, schraubten wir unsere Ansprüche bezüglich der Nahrungsaufnahme etwas nach unten.

Immer noch auf Nahrungssuche

Nächstes potenzielles Ziel sollte ein gediegenes Restaurant sein, was laut eigener Webseite geöffnet war und eine vielversprechende Menüauswahl anpries. Nach einem Zick-Zack durch Maisfelder und abgelegene Dörfer, fanden wir uns vor einer herrschaftlichen Auffahrt wieder. “Sie haben Ihr Ziel erreicht” lieβ das GPS verlauten. Es hatte uns zu Wells House geführt. Ein viktorianisches Herrenhaus im Tudorstil, das wie ein sich lohnendes Ausflugsziel aussah. Nicht aber, wenn alle Gedanken um’s Essen kreisen und man 1 Stunde vor Schlieβung Eintritt bezahlen soll, um zum Restaurant zu gelangen. Die Suche ging also weiter.

“Grand Finalé”

Wir nahmen es mit Humor – bis unser Kleinster auf der Rückbank aufwachte. Das lieβ uns nur noch mit einem geringen Zeitfenster, bis die Essenssituation zum Problem werden würde. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns nochmals auf das GPS zu verlassen. Mittlerweile waren wir an der Küste schon so weit nördlich angelangt, dass es wahrscheinlich schneller gewesen wäre, bis nach Hause durchfahren und über den heimischen Kühlschrank herzufallen. Aber wir gaben nicht auf und vertrauten erneut auf die Richtungsansweisungen der Dame aus dem Navigationsgerät.

Bis wir plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes im Wald standen. “Das Ziel liegt rechts vor Ihnen”, hieβ es dieses Mal. Was wir an der vermeintlichen Stelle sahen, war lediglich das Hinweisschild für Courtown Woodland. Perfekt für einen Sonntagsspaziergang – wenn man ein Picknick im Gepäck hat. Denn abgesehen von ein paar Waldbeeren gab es hier nichts Essbares.

Eine ortskundige Spaziergängerin wies uns den Weg zum angesteuerten Lokal. Und tatsächlich, ein paar hundert Meter die Straβe hinunter hatten wir es dann endlich erreicht. Es hatte geöffnet, wir bekamen sofort einen Tisch, das Essen und der Service waren gut. Unsere Odysee durch Wexford County hatte also doch noch ein glückliches Ende gefunden.

Zorro, der Mann mit den roten Haaren

Das Home Restaurant in Courtown Harbour wurde an dem Tag zu unserem Retter in der Not. Im frühen 17. Jahrhundert wäre es vielleicht Zorro gewesen!? Doch was hat der Mann mit der Maske mit Irland zu tun? War er nicht der “Robin Hood” von Mexiko, der dort die Armen mit Essen versorgte? Auch in meiner Vorstellung hatte Zorro immer einen spanischen Akzent und lateinamerikanisches Temperament gehabt.

Weit gefehlt! Im Jahre 1611 als William Lamport in Wexford geboren, ging Guillén Lombardo später als Zorro in die Geschichte ein. Über Umwege kam der gebildete William erst nach Nordspanien und wurde dann nach Mexiko gesandt. Mit 21 soll er bereits 14 Sprachen gesprochen haben. Bis zu seiner Hinrichtung 1659 lebte er als Gegner der Inquisition ein abenteuerliches Leben. Die eine oder andere Frauengeschichte mag ihm das erleichtert haben. Im späten 19. Jahrhundert entstand die Romanfigur einer leicht abgewandelten Heldengeschichte von Vicente Riva Palacio, die ohne Zweifel auf Guillén Lombardo basiert. (Quelle: Irish Times).

Mehr erfahren?

Aufmerksam auf diese Geschichte wurden wir bei einer Führung durch Selskar Abbey in Wexford Town. Um die Abtei selbst rankt sich eine romantische Legende, die man ebenfalls bei der täglichen Tour um 15 Uhr erfährt (ausgenommen sonntags, Änderungen vorbehalten). Auch die Historie der Region kommt nicht zu kurz. Sehr zu empfehlen!

Meine Tipps für Wexford

Wer länger im County Wexford unterwegs ist, sollte unbedingt dem Hook Lighthouse einen Besuch abstatten. Es ist einer der ältesten, noch funktionierenden Leuchttürme der Welt. Die örtliche Führung ist sehr kurzweilig und schon allein der Blick auf den tosenden Atlantik ist es wert.

Im Wexford Heritage Park kann man gleich durch 9000 (!) Jahre irische Geschichte spazieren. Anschaulich zusammengestellt in einem detailgetreuen Freilichtmuseum ist es die ideale Schönwetter-Variante.

Als kleiner “Zwischenstopp” bietet sich die Robbenauffangstation in Courtown an. Hier kann man sich über die Arbeit der Robbenretter informieren und kommt zudem ganz nah an die kleinen “Patienten” mit den groβen Kullernaugen heran.

Weitere Tipps für Wexford und Irlands historischen Osten gibt es auf der offiziellen Webseite der irischen Tourismuszentrale. Oder schreibt mir einfach eine Nachricht!

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